Der Diskussion um die vermeintliche Faulheit der Generation Z stellt sich ein Declan McKenna entgegen. Der britische Jungspund hat schon im zarten Alter von 15 Jahren die Korruption im Weltfußball mit „Brazil“ angeprangert, was ihm ironischerweise dann auch einen Platz im Soundtrack von FIFA 17 einbrachte.
Seither gibt sich Declan McKenna als umtriebiges Sprachrohr seiner Generation, vermeidet es dabei aber, in vorlaute Thunbergsche Fettnäpfchen zu treten, was seinem zweiten Album „Zeros“ bereits eine hohe Chartplatzierung eingebracht hat.
„What Happened To The Beach?“ ist keine umweltpolitische Anklage über den steigenden Meeresspiegel, sondern ein über weite Strecken verschrobenes, gescheites Singer/Songwriter-Werk, das einen Hang zur Melodien-Kakophonie innehat.
Doch Declan McKenna, der in seinen Instagram Posts stets aussieht, als hätte Liam Gallagher zu viel „Absolute Beginners“ gelesen, hat auch Pop im Sinn.
Schon der schräge Einstieg „Mystery Planet Pt. 1“ gibt die Marschrichtung vor, welche Wobble geht. Zupfende Saiten, ein entspannter Beat und effektverzerrter Sprechgesang spinnen noch Fäden zum psychedelischen Vorgängerwerk „Zeros“.
Mit Gianluca Buccelati, der u.a. mit Lana Del Rey und Arlo Parks arbeitete, hat Declan McKenna etwas mehr Sonne in sein Schaffen gebracht. Das eskaliert beim drogenunterstützten „Mullholland´s Dinner And Wine“, das wie die After-Acid-Laidback-Pop-Hymne für kleinkriminelle Sonnenanbeter klingt. Langeweile und Drogen waren noch nie ein guter Zeitvertreib, aber oft Inspiration für unvergessliche Momente.
Irgendwo zwischen den Flaming Lips, den Super Furry Animals und dem Unknown Mortal Orchestra reiht sich McKennas überinstrumentierter Pompdadaismus ein.
Ob das wuselige „Elevator Hum“ mit seinem Blümchenmantra und jazzigem Interlude oder das mit folkigem Dylanschen Gitarrengezupfe eingeleitete „I Write The News“ – McKenna und Buccelati scheinen den sprudelnden Jungbrunnen für musikalische Vielseitigkeit gefunden zu haben. Wenn das in die Klangwelten eines Beck vordringt und dabei am Sozialkritikgerüst rüttelt, wird man aufmerksam.
Aufmerksamkeit, die ein Declan McKenna nicht nur für sich, aber auch für seine Generation beansprucht. So bittet er um etwas „Sympathy“ in einem orchestral instrumentierten Gute-Laune-Schunkelpop erster Güte.
Die Casio Melodeien von „Breath Of Light“ sind ebenso enthalten wie der rumpelnde, rebellische „Nothing Works“ Abgesang. Geschichten über die eigenen Unzulänglichkeiten, die einem am Badezimmerboden über das eigene Scheitern verzweifeln lassen, sind selten so gutgelaunt musikalisch verpackt wie hier.
WahWah ? Fuzzgitarren ? Wer davon nicht genug bekommen kann, darf sich „The Phantom Buzz (Kick In)“ auf Dauerrotation stellen. Das knattert, knistert und massiert das Gehör, lässt McKenna zu gesanglichem Format wachsen und tritt mit dem folgenden „Honest Test“ unschön auf die Kastratengesangsbremse.
Blütenblätter von Gänseblümchen zupfend, schwelgt Declan McKenna in seinen Hormonen und Emotionen, verliert sich im „Mezzanine“ und finalisiert mit „It’s An Act“ symphonisch sein gesamtes Schaffen im Trompeten-Duett-Schwof und im wahnwitzigen, kakophonischen „Mystery Planet Pt. 3“.
Dass ihm auch hier die schrägen Ideen, die stets in großartigen Melodien enden, nicht ausgehen, spricht für die Schaffenskraft des Briten. Auf insgesamt 16 Tracks, die Interludes mitgerechnet, arbeitet McKenna sein persönliches Post-Covid Trauma auf.
„What Happened To The Beach ?“ Keine Ahnung. Ist aber auch reichlich egal, so lang die wundersame Welt des Dr. McKenna durch die Lautsprecher vibriert.
Für Freunde der im Text genannten Musiker ist das Drittwerk von Declan McKenna ein wahrer Ohrenschmaus. Die Texte sind inzwischen generationenübergreifend thematisiert und Buccelatis Wirken als Produzent hat wohl auch den letzten Tropfen Kreativität als Essenz in das Album eingebracht.
Wer schon früh im Jahr einen Kandidaten für seine Favoriten 2024 sucht, sollte unbedingt reinhören.