Bei den britischen Post-Punkern Idles dreht sich heuer alles um die Liebe. 29 Mal kommt Sänger Joe Talbot in seinen Lyrics auf “Tangk” das Wort Liebe über die Lippen. Ihm passieren deshalb aber längst keine weichgespülten Lovesongs, sondern vielmehr hellwache Gedanken, die über die nach wie vor herrliche Widerborstigkeit der Stücke ihre Gesellschaftskritik manifestieren.
“No God, no king, I said love is the thing” singt Talbot, der kürzlich Vater eine Tochter wurde, in “Grace“. Mit seinen Synthflächen ist es eines dieser wundersamen Stücke, die Post-Punk allenfalls am Rande streifen oder ihn ganz vernachlässigen. Und doch klingen sie unverkennbar nach Idles.
Gerade diese unwahrscheinlichen Songs, mit denen sich die Band aus Bristol weiter aus ihrer Komfortzone bewegt als jemals zuvor, erhöhen ihr fünftes Album “Tangk” zum Phänomen.
Da wäre etwa „A Gospel“, das als Pianoballade nur unzureichend beschrieben ist und doch klar macht, wie weit Idles bereit sind, zu gehen. Der Wille zum Experiment und der Erneuerung geht in eine Richtung, die die über vier Alben hinweg so liebgewonnene Ruppigkeit der Band abmildert, nur um „Tangk“ im weiteren Verlauf zum Juwel zu schleifen.
Es wäre naheliegend, diese Entwicklung auf die hinzugezogene Produzentenpersonalie Nigel Godrich zu schieben, faktisch aber falsch. Denn laut Gitarrist Mark Bowen, der zusammen mit Stammproduzent Kenny Beats bislang für den Sound der Briten verantwortlich zeichnet, war Godrich als neuerlicher Dritter im Bunde viel mehr derjenige, der Idles davon abhielt, beim Experimentieren ihren Kern zu vernachlässigen.
Deshalb gibt es mit „Pop Pop Pop“ oder „Dancer“ auch die energetische Post-Punk-Packung, die zu antizipieren war. Doch nahezu jedes zweite Stück beugt sich über Soul, Hip-Hop oder gar Art-Pop in eine musikalisch neue Welt, in der Talbot mit klaren Worten die Liebe als Gegenentwurf zum Hass ausformuliert, statt ihr die Romantik unterzujubeln.
Diese Momente, die nach Radiohead-esquer Exploration anmuten, und daher im ersten Moment dazu verleiten, sie dessen Haus- und Hofproduzenten Godrich anzuheften, sie entspringen aus der Band selbst heraus. Bowen nennt Aphex Twin als Einfluss und dessen „Avril 14th“ eines der besten Pianostücke aller Zeiten.
Von da aus ist es wiederum ein kurzer Weg zu „A Gospel“ und ein nicht minder spannender. Es scheint, als hätten sich Idles einen Raum geschaffen, von dem aus ab sofort alles möglich wird. Und wer weiß, eventuell hat „Tangk“ das Potenzial, zu ihrem „Kid A“ zu werden.
Eine Antwort
es sind ja alle Alben geil, aber das ist schon der Oberhammer