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Klez.e – Erregung

Klez.e festigen musikalisch ihrer New-Wave-Ambitionen, die sie mit dem Vorgänger „Desintegration“ aus 2016 unmissverständlich beim Namen nannten. Waren vor acht Jahren The Cure die zu bewundernden Heroen der Jugend, über deren Klangideal Klez.e-Frontmann Tobias Siebert Texte gegen Faschismus und Drohneneinsätze in Syrien stülpte, so liefert „Erregung“ im Grunde die Erklärung für die Hinwendung zu diesem Sound.

Das Außenseitertum als autobiografisches Ventrikel für einen dunkelgrau gefärbten Gothic-New-Wave, der darin seinen Trost ausbreitet: „Auf dem Schulhof tief rauchend wurde meine Traurigkeit schlimmer/ Und das Schubsen war nicht nur eine Phase/ Es war ‘ne ganz klare Haltung gegenüber der Liebe und Einsamkeit“, singt Siebert im eröffnenden Titelstück, so offen wie nie.

Nach wenigen Minuten ist damit bereits klar, dass die sehnsuchtsvollen Erinnerungen, die auf „Vom Feuer der Gaben“ (2009) noch in einem solch fantastischen Song wie „Wir ziehen an der Zeit“ ausgebreitet wurden, hier nicht aufwarten. Stattdessen ein schmerzlich konnotiertes Memorandum: „Und dann streckt das Erinnern an den Schulhof mich hin, bringt mich immer und immer zurück auf Beginn.“

Geschmückt sind solche Zeilen mit hallenden Gitarren, die den stilprägenden Chorus- oder Flanger-Effekten unterzogen werden. Auch Synthesizer und tieftönende Drums sind eher in altbewährter Manier zu neuem Glanz entstaubt, als sie grundsätzlich neu zu erfinden. Schlimm ist das nicht, sondern stimmig.

In “Tortur” singt Tobias Siebert: „Wir sind wie die Welt nicht mehr zu retten / Meine Lippen auf Deinen“. Ein romantisches Politikum, das uns nur deshalb nicht den Boden unter den Füßen wegzieht, weil Klez.e den musikalischen Trost der 80er einflechten, also kurz bevor mit dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges das wohl unbeschwerteste aller Jahrzehnte ins Haus stand.

Vor diesem Hintergrund ist „Erregung“ musikalisch eine Geschichts- und lyrisch eine Deutschstunde erster Güte. Oder wie Tocotronic-Bassist Jan Müller es ausdrückt: „Ich empfehle euch, tief in ihren Songs zu versinken!“

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