Zwei Fußballvereine prägen Glasgow, mindestens genauso bekannt ist die Stadt dafür, dass die Karriere vieler relevanter Bands und Musiker*innen hier ihren Anfang nahm.

Insofern muss die schottische Metropole, vom unweit gelegenen East Kilbride aus betrachtet, für Jim und William Reid früh als die geeignete Startrampe für The Jesus And Mary Chain erkannt worden sein, von der sie ab 1984 ihren stilprägenden Sound in die Welt katapultierten konnten.

The Jesus And Mary Chain prägten das Business nicht nur mit den LP-Meilensteinen „Psychocandy“ und „Darklands“, die Eskapaden, u.a. mit Feedback-Kurzkonzerten und einem nicht ganz nüchternen Auftritt bei Top of the Pops, die sie sich leisteten, lange bevor ein anderes Geschwisterpaar Großbritanniens diesbezüglich die Pole-Position übernahm, trug zur Legendenbildung bei.

Trotz dessen, dass sich die Brüder – vorsichtig ausgedrückt – im künstlerischem Diskurs nicht immer wohl gesonnen waren, gelang ihnen bis zur Trennung meist ein musikalischer Konsens.

Im Verlauf ihres Werdegangs gewannen elektronische Komponenten zunehmenden Einfluss, die waren auf dem 2017er Reunion-Album „Damage And Joy“ ebenso präsent wie die Noise-Pop-Attacken und Shoegaze-Einlagen, die „April Skies“ oder „Just Like Honey“ berühmt machten.

Der Nachfolger „Glasgow Eyes“ anlässlich ihres 40jährigen Jubiläums fasst dato wieder alle Komponenten zusammen. Synthie-Effekte, von denen manche etwas aus der Zeit gefallen scheinen, treffen über auf puren Rock’n’Roll und griffige Riffs, ein Konglomerat, das in seiner Summe „Venal Joy Fast“ eingangs wie ein „Kill-Surf-City“-Revival klingen lässt und „American Born“ als Britpop-Americana-Hybrid in den Raum stellt.

Mit allen Tugenden, die für das Klangbild von The Jesus And Mary Chain samt ihrer wechselnden Begleiter markant waren, avanciert „Jamcod“ zu einem späten Referenzstück, glänzt die Nummer mit einer Dynamik, die auch „Chemical Animal“ mit auf den Weg bekommt, während „Pure Poor“ mit epischen Tiefe aus den Lautsprechern quillt.

Die Dramaturgie von „Mediterranean X Film“ weiß allerdings nicht so recht wohin mit sich und in der „Discotheque“ wird doch eher altersgerecht getanzt, bevor die zwei Herren in ihren Sechzigern in „The Eagles And The Beatles“ grinsend auf ihre musikalische Sozialisation blicken, via „Hey Lou Reid“ den Einfluss von The Velvet Underground auf den eigenen Werdegang würdigen, mit „Second Of June“ eine melancholische, alle Zerwürfnisse der Vergangenheit pulverisierende Selbstbeschau, abliefern.

Auf „Glasgow Eyes“ bleiben sich die Protagonisten treu, ohne dabei alt auszusehen, selbst wenn William inzwischen beim selben Frisör wie King Buzzo untergekommen zu sein scheint.

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