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The Jesus And Mary Chain – Live im Huxleys Neue Welt, Berlin

Es gilt inzwischen als ausgeschlossen, dass ein Auftritt von The Jesus And Mary Chain nach einer 20-minütigen Feedbackorgie endet und/oder einer der beiden Protagonisten mitten im Konzert den Dienst quittiert.

Spätestens seit der 2017er Reunion via „Damage And Joy“ herrscht bei den Gebrüdern Reid Burgfrieden, besannen sich die Streithähne auf ihre musikalischen Kernkompetenzen und lieferen wieder jenen hallenden Rock mit Shoegaze-Attitüde, mit dem sie über drei Jahrzehnte hinweg Evergreens platzieren konnten.

21:15 Uhr eröffnete „Jamcod“ von der letzten Platte „Glasgow Eyes“ ein Konzert auf der Bühne von Huxleys Neue Welt, bei dem vom ersten Akkord an unmissverständlich schien, dass hier Profis gewillt sind zu erfüllen, was die reichlich anwesenden Fans, viele wie sie in ihren besten Jahren, in Berlin erwarteten.

Geliefert wurde eine Best-Of-Show, die neben den aktuellen Nummern weder Hits noch Wünsche offen ließ und per „Happy When It Rains“, dem zweiten Song auf der Setlist, den Saal früh in die Glückseligkeit der goldenen Indie-Achziger schickte.

Als Jim Reid später mit „The Eagles And The Beatles“ von der eigenen musikalischen Sozialisation sang, war der Auftritt von The Jesus And Mary Chain längst zum Heimspiel geworden, der das reichlich gefüllte Auditorium in einen Rausch aus Nostalgie und dritten Frühling versetzte.

Vom gespaltenen Verhältnis zum Publikum war nichts mehr übrig. Weitschweifig sind die Ausführungen vom brummigen Mann am Mikrofon, der mit noch weniger Posen als Worten über den Abend kam, zwar nicht, aber immerhin entwickelte sich – während Bruder William Reid sein Instrument nachjustierte – sogar so etwas wie Smalltalk mit einigen besonders lauten Zuhörer*innen.

Die fetten Soundwände, an deren Entstehung ihre drei routinierten Mit-Musiker maßgeblichen Anteil hatten, ließen Platz für feine Hooks, die William aus den Saiten zauberte und die viele ihrer Klassiker mit einem melancholischen Topping überzogen, so dass deren Ohrwurmqualitäten bis dato vorhielten.

Solche fehlten nicht im Programm, „Some Candy Talking“ und „Darklands“ standen Ton an Ton mit „Cracking Up“und  „Sidewalking“, gab es am Ende des Hauptteils mit „Sometimes Always“ und „Just Like Honey“ weitere Highlights auf die Ohren, bevor in der Zugabe mit „Taste Of Cindy” und „I Hate Rock`N`Roll” noch einmal die Fetzen flogen.

Das donnernde „Reverence“ lief ganz zum Schluss. Ein bisschen Ehrfurcht vor dem Lebenswerk der Schotten war am gestrigen Donnerstag durchaus angemessen, und dass Jim zu William schaute, als er während „Nine Million Rainy Days“ „all my time in hell was spent with you“ sang, war bestimmt unbeabsichtigt.

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