Im Dunstkreis der britischen Indie-Combo Fat White Family geht es seit jeher hoch her. Musikalische Überholfahrten, gepaart mit Drogenexzessen auf nahezu allen Ebenen bilden eine explosive Mischung. Nun kamen zum alltäglichen Wahnsinn auch noch personelle Querelen dazu, die mit einem unrühmlichen Abschied endeten. Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Studioalbums “Forgiveness Is Yours” trafen wir uns mit Sänger Lias Saoudi zum Interview und sprachen über Drogen, chaotische Klangbilder und flirrende Lichtstrahlen.
MusikBlog: Lias, ich habe irgendwo gelesen, dass du mittlerweile ein passionierten Jogger bist. Du hast bisher nicht gerade einen gesunden Lebensstil gepflegt. Ist das jetzt Teil einer radikalen Umkehr?
Lias Saoudi: (lacht) Ich merke einfach, dass mir das Joggen unheimlich gut tut. Der Sport reinigt meine Gedanken und hilft mir dabei klar zu sein. Von unserer letzten Tour kann ich mich nur noch an wenige Momente erinnern. Ich lag irgendwie völlig fertig auf den Bühnenbrettern in Brighton. Ich werde einfach auch nicht jünger. Ich bin zu oft zu schnell müde. Vor ein paar Monaten hätte ich beim Gedanken an eine neue Tour noch Angst bekommen, ob ich das überhaupt durchhalte. Jetzt gehe ich joggen und schwimme auch ab und zu. Das tut mir gut.
MusikBlog: Als ich mit deinem Bruder Nathan vor fünf Jahren über euer letztes Album gesprochen habe, waren die Drogen sehr präsent. Wie sieht es diesbezüglich heute aus?
Lias Saoudi: Es ist nicht ganz so einfach – denn, wenn man einmal da drinhängt, dann kommt man so schnell nicht wieder raus. Innerhalb der Band gibt es immer noch Leute, die ein schweres Drogenpaket mit sich rumschleppen. Andere kämpfen mit ihren Substitutionsmitteln. Wenn man jung ist, dann ist man vital und man merkt nicht, wie schädlich das ganze Zeug für den Körper ist. Wenn du aber älter wirst, dann frisst es dich auf. Man ist ständig müde und depressiv. Um aus diesem Zustand rauszukommen, nimmt man mehr Drogen. Das ist ein verdammter Teufelskreislauf. Ich selbst suche mir meine Schlachten aus. Unter der Woche trinke ich nicht mal mehr Alkohol. Wenn ich aber dann losziehe, dann feiere ich halt – und zwar richtig.
MusikBlog: Ihr habt euch im Zuge der Produktion des neuen Albums “Forgiveness Is Yours” von Gründungsmitglied Saul Adamczewski verabschieden müssen. Waren die Drogen da auch mit im Spiel?
Lias Saoudi: Die Drogen waren und sind auch immer noch da. Saul hatte einfach keine Lust mehr. Seine ganze Attitüde ist einfach “für’n Arsch”. Ich habe seit dem ganzen Trennungsmist kein Wort mehr mit ihm geredet. Ehrlich gesagt, ist mir der Typen scheißegal. Wir haben diese “Ohne mich seid ihr nichts!”-Haltung von ihm viel zu lange durchgehen lassen.
MusikBlog: Das klingt nicht gut.
Lias Saoudi: Nein, das war auch nicht gut. Ich bin froh, dass es endlich vorbei ist.
MusikBlog: Ich frage mich, wie man unter solchen Umständen so intensive und coole neue Musik produzieren kann?
Lias Saoudi: Ich denke, da steckt auch viel Trotz mit drin. Wenn du jemanden hast, der dir ständig das Gefühl geben will, dass die Band ohne ihn nichts wert sei, dann kannst du gar nicht anders, als ihm irgendwann genau das Gegenteil zu beweisen. Nathan und ich wollten Saul zeigen, dass wir keine verdammte Tribute-Band für ihn sind. Wir funktionieren auch wunderbar ohne ihn.
MusikBlog: Musikalisch tanzt ihr auf vielen verschiedenen Soundhochzeiten. Man hört viel Chaos, aber trotzdem ist da auch ein roter Faden zu erkennen. Wie habt ihr das hinbekommen?
Lias Saoudi: Wir haben uns einfach alle eingebracht. Jeder von uns hatte Songideen. Diese kamen aus ganz verschiedenen Richtungen. Wenn man dann am Ende aber nur eine Stimme über alles legt, dann entsteht ganz automatisch etwas Zusammenhängendes.
MusikBlog: Live wird das bestimmt ein großer Spaß. Apropos Spaß auf der Bühne: Ich habe vor kurzem einen Instagram-Post von euch aufgeschnappt. Dort ist zu sehen, wie du mit dem Mikro in der Hand halbnackt in der Menge stehst und Sekunden später förmlich von der Masse verschluckt wirst. Was war da los?
Lias Saoudi: Oh, ich erinnere mich ganz genau an diesen Moment. Das war beim Wide Awake-Festival. Ich hatte ziemlich viel Speed und noch mehr Pilze intus. Das ist natürlich eine Mischung, die ich mir nicht immer geben kann.
Lias Saoudi: Geht es eigentlich noch wilder?
Lias Saoudi: Klar. Den schlimmsten Absturz hatte ich vor einer Show in Philadelphia. Da habe ich mir hinter der Bühne eine Überdosis Pilze gegeben. Das war schon ziemlich heftig. Mein Kopf drohte zu explodieren. Da waren überall bunte Farben und alles war irgendwie total verformt. Ich weiß noch, dass es das einzige Mal war, dass ich der Band und unserem Tourmanager vor einer Show gesagt habe, dass ich nicht in der Lage bin auf die Bühne zu gehen. Dann kam mein kleiner Bruder zu mir und brüllte: “Doch du kannst das, und du machst das jetzt!” Ich bin dann tatsächlich raus. Ich erinnere mich noch, dass die Show irgendwann richtig cool wurde. Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Stimme in tausend verschiedene Lichtstrahlen verwandeln würde. Die flirrten überall umher. Ziemlich cool. Aber auch ziemlich heftig.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.