Vor einigen Wochen waren in Mitteleuropa durch besonders starke Sonnenstürme Nordlichter am Himmel zu sehen. Ein absolut seltener Anblick in diesen Gefilden, so weit weg vom Polarkreis. Und setzt man sich spaßeshalber den Verschwörungshut auf, fragt man sich: War das alles nur ein überaus komplizierter Plan, um die neue Platte von Aurora zu promoten? Die Verbindung mit der Namensgebung wäre zumindest da.
Spaß beiseite: Die Frage im Albumtitel von „What Happened To The Heart?“ stellte sich der Norwegerin, nachdem sie einen Brief befreundeter Aktivisten las. Hauptziel des Briefs war, auf die missliche Lage der Welt durch den Klimawandel hinzuweisen und zum Handeln aufzufordern.
Für Aurora wird klar: Möchte man die großen Zusammenhänge verstehen, sollte man sich im Kleinen ebenso auskennen. Was folgt, ist eine Exkursion in die menschliche Anatomie. Was macht das menschliche Herz, warum ist es so essentiell für den Organismus und was zur Hölle ist nun mit dem Herz der Erde passiert?
Das vierte Album der Songwriterin dreht sich um die verloren gegangene Empathie und Einfühlsamkeit der Menschen, eben um das abhanden gekommene Herz.
Als übergeordnetes Thema wirkt dies direkt viel greifbarer als noch die Behandlung altgriechischer Mythologien auf dem 2022er Vorgänger „The Gods We Can Touch“ – es geht um diese gewisse Rohheit, die uns alle immer mehr zu umgeben scheint.
Den schwebenden, elfenhaften Synth-Pop dazu gestaltet Aurora zunächst auffällig warmherzig und nahbar, als würde sie ein gewisses Maß an Vertrautheit aufbauen wollen.
Da ist der ätherisch fließende Opener „Echo Of My Shadow“, ein poppiger und dennoch sonnig blubbernder Synth-Track wie „To Be Alright“ und ein Song zwischen Extravaganz und Seelenruhe wie „Conflict Of The Mind“ – die Komplexität in der Arbeit der Norwegerin bleibt stets nahbar und spannend.
Das gilt für die optimistische, wie auch für die düstere Seit des Albums: Was mit der leichten Unruhe in „Earthly Delights“ beginnt, weitet sich im martialischen „When The Dark Dresses Lightly“ mit seinem archaischen Beat zu einer bitterlich ernsten Stimmung aus.
Mit dem Umschwung kommt auch eine organischere, analoge Instrumentierung: Gothic Folk würde man das an anderer Stelle nennen – nicht ganz so okkult wie eine Chelsea Wolfe es machen würde, aber definitiv auf dem Weg dorthin.
Es mag die Dichotomie der Welt in Schwarz und Weiß sein, vielleicht symbolisiert die Dynamik des Albums auch den gefühlten Verfall von menschlicher Wärme unter den Menschen.
So oder so zeigt sich Aurora auf „What Happened To The Heart?“ in mannigfaltigen Facetten, die dem alten Bild einer fragilen, ständig nur hauchsingenden Feenprinzessin einen Strich durch die Rechnung macht.
Wer Aurora nicht schon längst als fähige Klangkünstlerin und Dramaturgin sieht, puhle sich hiermit die Fremdkörper aus den Gehörgängen und lausche der spannenden Atmosphäre auf dem vierten Album dieser faszinierenden Ausnahmekünstlerin.