Die Glass Animals nehmen ein bisschen die Rolle des britischen Pendants zu unseren Giant Rooks ein. Sie frischen die Disziplin Power-Pop auf, die sich seit ihrem Entstehen in der Beat-Szene der Swinging Sixties stets durchsetzte, aber immer mit nur wenigen Künstler*innen.

Die Glass Animals genießen für „I Love You So F***ing Much“ genauso wie die Giant Rooks oder Leoniden einen Major-Vertrag, obschon man sie alle gerne als Indie-Acts wahrnimmt.

Dem Quartett aus Oxford kann man jedoch attestieren, dass ihren verquirlten Mischmasch aus Electro-Loops, hip-hop-artverwandten Strecken, entspannten Back-Beats und Hooks mit Arena-Tauglichkeit sonst keiner anbietet.

Natürlich, ein bisschen The Killers klingen an, nimmt man die Instrumentierung von „On The Run“ und speziell die galoppierenden Gitarren dieses Tunes. Und manches Amplifier Arrangement wie in „Lost In The Ocean“ oder „Show Love“ konnte man vor 25 Jahren schon sehr ähnlich von Grandaddy hören.

Ohne dass ’nett‘ die kleine Schwester von ‚etwas anderem‘ wäre, breitet das Album nett und sonnig seine durchweg positiven und relaxten Vibes aus. In unserer ziemlich dystopisch geprägten Zeit mag das verblüffen, so wie die üppigen Arrangements, satt gefärbten Klangdesigns und markanten Laut-Leise-Wechsel in der aktuell eher lo-fi-dominierten Ära auffallen.

Andererseits treffen die Versuche, Hip-Hop-Strukturen einzubetten, mal mehr („Wonderful Nothing“, „A Tear In Space (Airlock)“), mal weniger („Creatures In Heaven“) oder mal mittelgut („Never Enough“) einen Kreativ-Nerv.

Frontmann Dave Bayley macht sich mit seiner hellen, klaren, leicht rauen, aufgeweckten und spannenden Stimme grundsätzlich sehr, sehr gut im Sprechgesang. Da die Band tatsächlich viel zu erzählen hat, reißt der Vortrags-Flow tendenziell mit. Im Einzelfall kommt es jedoch darauf an, ob die Programmierung aus dem Drum-PC eher zu Standard-Gummi-Beats führt. Auf ihnen fühlen sich die toasting-artigen Vocals deplatziert und behäbig-gutbürgerlich an.

Einen charismatischen Eindruck macht dagegen der Trip Hop von „A Tear In Space (Airlock)“. Wie sich Bayley plötzlich ins Falsett aufschwingt, ist große Klasse. „Wonderful Nothing“ zündet dank einem Hauch Klassik und einer geschmackvollen Dosis Pathos.

Diese wiederum prallt kontrastreich auf die smarte Coolness der härteren Elektro-Abschnitte. Die Spannung zwischen wendig und theatralisch ist überhaupt der wichtigste Punkt in der Rezeptur dieser Platte.

Das Disco-Retro-Musikbett von „ICMYFILA“ lässt sich dagegen nur unter dem Aspekt des Augenzwinkerns Richtung allgegenwärtiger Zitate in den Charts lesen. Für einen Moment meint man, in einen Hit von Purple Disco Machine zu rutschen.

Einen ähnlichen Effekt findet man taktweise in „Whatthehellishappening“, ansonsten könnte man diesen Track noch in den Skater-Park mitnehmen. Diesem Stück entstammt auch der LP-Titel, Dave singt darin „I love you so much that I could cry“.

Weitgehend gilt: Um sich die Scheibe zu kaufen, empfiehlt sich als zusätzliche Anschaffung noch eine Hängematte. Dafür hätte man den perfekten Soundtrack.

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