Habt ihr 28 Minuten Zeit ? Mehr Zeit müsst ihr nicht aufbringen, um auf den neuesten Stand bezüglich des musikalischen Schaffens von Kasabian zu sein. „Happenings“, das achte Studioalbum der Briten und das zweite nach dem Weggang von Sänger Tom Meighan wurde auf die TikTok genormte Aufmerksamkeitsspanne angepasst.
Das verbliebene Trio rund um Serge Pizzorno ging mit dem Vorgänger „The Alchemist’s Euphoria“ mit gewohntem Sound noch auf sicheren Pfaden, scheint mit „Happenings“ aber die Essenz dessen auspressen zu wollen, was Kasabian ausmacht.
Musste man nicht unbedingt vermuten, denn die erste Singleauskopplung „Algorithms“ indie-rockt sich, über künstliche Intelligenz philosophierend, schon seit einem Jahr durch die Radios eures Vertrauens.
Aber schon mit der zweiten Singleauskopplung haben Kasabian die Marschrichtung geändert. „Call“ findet sich irgendwo zwischen Dancefloor und Moshpit wieder, lässt verzerrten Vocodergesang auf schnarrende Basswände prallen und klingt trotzdem wie eine unterkühlte Version von Maneskin.
Aber zurück zu unbeschwerten Zeiten, wenn „Coming Back To Me Good“ die Sommersonne im Popgewand grüßt, das Piano auf cocktail-trunkene Dance-Beats packt und man mehrstimmig Pizzornos Feel-Good-Refrainmantra mit einstimmt.
Es geht Schlag auf Schlag und selten erreicht die Tracklänge mehr als drei Minuten, wenn sie es mal tut wie im Falle des Openers „Darkest Lullabys“ oder „G.O.A.T.“, stellt sich die Frage nach dem Warum?
Choruszentriert und uninspiriert schlängeln sich Kasabian mit Britpop durch den Backkatalog des eigenen Schaffens. Da doch lieber knackiges Chaos, wenn „How Far Will You Go“ mit wüstem Riff Synthesizer zerfetzt und im Temporausch den letzten Ecstasykonsum zum Placeboeffekt verklärt.
Erholung für Ohren und Gemüt bietet „Passengers“. Die Indie-Rock-Fahne weht im Wind des hymnischen, mehrkehligen Refraingesangs und zelebriert dabei die Einfachheit der Eingängigkeit.
Aber Pizzornos gewohnt textlicher Tiefgang kommt auch auf „Happenings“ nicht zu kurz. „Hell Of It“ gehört neben „Algorithms“ zum wortreichen Kommentar unserer Generation. Tanzbare House-Einflüsse, dessen Konstrukt von wabernden Synthesizerhämmern bearbeitet werden, bietet die akustische Grundlage für Sergio Pizzornos Endlosmotivation.
„Italian Horror“ verführt mit poppiger Leichtigkeit zur Gewissensfrage, bevor „Bird In A Cage“ die Falle, in welche man sich begeben hat, offenbart. Elektronisch surrend, energisch pulsierend und gesanglich faszinierend spielen sich Kasabian mit diesem coolen Titel direkt in die Herzen ihrer Anhängerschaft. Derart smooth, fast schon funky erlebt man die Briten selten.
Kasabian wird langsam zur Essenz seiner Selbst. Das liegt nicht nur am Bandmitgliederschwund und der kurzen Trackdauer, auch scheinen die Titel komprimiert auf die oftmals anspruchsvollen, hinterfragenden Texte von Sänger Pizzorno zu sein, der auf „Happenings“ in seiner Rolle als Songschreiber, Sänger und Produzent aufzugehen scheint.
Auch, wenn nicht jeder knackige, kurze Track zündet, zeigen Kasabian, dass Quantität nicht gleichzusetzen ist mit Qualität und feuern auf eine knappe halbe Stunde aus allen Rohren Vielseitigkeit.