Zum Abschluss des 40. Zeltivals haben die Veranstalter mit Anna Ternheim nochmals eine ganz besondere Künstlerin ins Tollhaus gebucht. Die schwedische Singer/Songwriterin mit der sanften, melancholischen Stimme überzeugt mit einem exquisiten Set, das das Genre in all seinen Facetten ausleuchtet. Ein Set, das unterm Strich mit lediglich 75 Minuten nur leider viel kurz ausfällt.
Die Zeit, die ihr fehlt, wird im Gegenzug Support-Act Jules Atlas eingeräumt, der es mit betulichen Folksongs und stimmlichem Talent zurückzahlt. „Der Song handelt davon, wie schwer es ist in seinen 20ern zu sein“, verklausuliert er sich bei einer seiner Ansagen. Ein Raunen und Gelächter gehen durch die Stuhlreihen, auf dem ein Publikum sitzt, das im Schnitt in seinen 50ern steckt.
Mit Charme windet sich der Newcomer aus der Sackgasse, in die er sich hineinmoderiert hat und wirbt für seine CDs am Merchstand, „falls jemand noch einen alten Opel Corsa mit CD-Player fährt.“
Anna Ternheim setzt hingegen auf Vinyl und lässt es sich nicht nehmen, nach der Show die verkauften Schallplatten zu signieren. Die großgewachsene Schwedin und ihre dreiköpfige Band machen zuvor beste Werbung dafür, besonders für ihr noch immer aktuelles Studioalbum „A Space For Lost Time“ aus 2019 sowie ihr Debütalbum.
Ternheim startet mit „Girl Laying Dow“, „Black Sunday Afternoon” und “Everytime We Fall” fulminant, mit einem illustren Querschnitt aus ihren besten Alben. Bereits nach drei Stücken offenbart sich eine gewiefte Vielfalt, die ihre von Beginn an fantastisch klingende Band in alle Richtungen ihres Könnens beordert.
Die Sängerin selbst schwärmt anschließend von Nashville („everyone there is a musician“) und fügt eine Interpretation des Pat McLaughin Songs „The Longer The Waitng (The Sweeter The Kiss) an.
Es ist eines von zwei Covern, das mit der Qualität ihrer eigenen Stücke nicht so recht mithalten kann, auch wenn man eine vergleichbare Version von Bruce Springsteens „I’m On Fire“ so bislang wohl kaum gehört hat. Die paar Ecken und Kanten, die hier unbeabsichtigt durchklingen, passieren bei den eigenen Songs nicht.
Wenn diese sich in einem gleichermaßen grazilen wie voluminösen Bandsound nach oben schaukeln, dann hat die Show des Quartetts etwas Orchestrales, beinahe Pastorales, wie etwa bei „When You Were Mine“, der den Gänsehaut-Moment bewusst einkalkuliert.
Vor der Waldkulisse, die auf dem großen Backdrop das Bühnenbild dominiert, wirkt der Auftritt dann wie aus einem Guss. Die Elemente wiegen sich in einer physikalisch austarierten Balance.
Als Supplements kann jeder nach seinem Gusto die für sich passende Dosis Spiritualität herausgreifen, um dann um so tiefer in die elektronischen Sphären von „What Have I Done“ aus dem formidablen dritten Album „Leaving On A Mayday“ abzutauchen – einer jener Songs, der besonders anschaulich Ternheims Qualitäten emotionaler Erzählkunst zeigt.
Wenn sie, wie hier, ihre Gitarre in die Ecke stellt und ausschließlich als Sängerin performt, erinnert sie auf angenehmen Weise an Emily Haines von Metric.
Noch deutlicher werden vermeintliche Gemeinsamkeiten dieser beiden großen Künstlerinnen im finalen „Holding On“, das mit Folk, Pop, Jazz und Elektronik alles vereint, was Anna Ternheim musikalisch ausmacht – das nach gut einer Stunde aber bereits deutlich zu früh kommt.
Wer anschließend glaubt, es käme ein umfangreicher Block an Zugaben, sieht sich getäuscht. „This Is The One“ markiert als einziges weiteres Stück den erhabenen Schlusspunkt und bewirbt das entsprechende Vinyl der aktuellen Platte noch einmal mit Nachdruck. Es hätte sich allerdings in diesem so warmen wie elektrisierenden Soundbad noch Stunden aushalten lassen.