Sleater-Kinney haben eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Als Punk-Band von Carrie Brownstein und Corin Tucker Mitte der 90er gegründet, wurden sie ein wichtiger Teil der Riot-grrrl-Bewegung. Dann wurde die Liebesbeziehung zwischen Carrie und Corin gegen ihren Willen von einem Musikmagazin öffentlich gemacht, es folgte das Ende dieser Beziehung (sehr dramatisch in dem Song „One More Hour“ verarbeitet, einem ihrer besten ever) und nach mentalen Problemen und Erschöpfungszuständen folgte schließlich die Auflösung der Band 2006. Nach acht Jahren Pause kam dann 2014 die Wiedervereinigung, 2019 jedoch der unerwartete Ausstieg von Schlagzeugerin Janet Weiss, die seit 1996 Mitglied war.

Sind Sleater-Kinney also noch relevant nach 30 Jahren, in einer Welt, in der Feminismus akzeptierter Mainstream geworden ist (wenn auch längst nicht alle Ziele erreicht sind)? Das zu beantworten, bemühen sich die beiden Protagonistinnen (plus neue Schlagzeugerin Angie Boylan und drei Tour-Musiker*innen) auf der aktuellen Deutschland-Tour, bei der sie nach unten verlegte, kleinere Venues in Kauf nehmen mussten.

Die nach wie vor enge Verbindung zwischen Carrie Brownstein und Corin Tucker war gestern im gut gefüllten Technikum in München spürbar:

Carrie Brownstein, geschminkt und wild auf der Bühne herumspringend, als wäre sie Anfang 20, bildete nur äußerlich einen Gegensatz zur still stehenden, ungeschminkten Corin Tucker, während ihre Gitarrenriffs und nach wie vor prägnantesten Gesangstimmen der gesamten Indie-Rock-Szene, zu einer intensiven Einheit verschmolzen und sich beide in den Songs leise zulächelten.

Harmonische Einigkeit herrschte auch bei einer mehrfach angestimmten Unterhaltung mit dem Publikum zum Thema Klimaanlage im hoch temperierten Technikum: „What’s your attitude towards air conditioning, you don’t like it?“ (Tucker) und „It’s fucking hot“, „A sweaty show is better than a non-sweaty show“ (Brownstein) und der gemeinsamen Schlussfolgerung, dass keine Klimaanlage immerhin gut für die Umwelt ist.

Politische Ansagen an die Zuschauer*innen waren gestern nicht im Programm, aber dafür sozialkritische Songs wie „Hell“ oder „The Fox“, die beweisen, dass Sleater-Kinney ihre politische Haltungen nach wie vor thematisieren (wenn auch vielleicht nicht mehr so intensiv wie zu ihren Anfangszeiten), auch darin stimmen die beiden Musikerinnen überein.

Die knisternd-sprühende Chemie zwischen Carrie Brownstein und Corin Tucker wurde besonders fühlbar bei den sehr emotional performten „The Future Is Here“ vom 2019er Album „The Center Won’t Hold“ sowie den beiden Stücken „Say It Like You Mean It“ und „Untidy Creature“ (bei dem Tucker am Bühnenrand vor dem Publikum niederkniete) vom sehr guten, neuen Album „Little Rope„, das Anfang des Jahres erschienen ist.

Aber auch Klassiker wie besagtes „One More Hour“, „Jumpers“ oder das als erste Zugabe gespielte „I Wanna Be Your Joey Ramone“ vom zweiten Album sorgten nicht nur für nostalgische Momente, sondern auch beim jüngeren Publikum für Punk-Rock-Offenbarungen, während sich Carrie & Corin auf der Bühne zum frontalen Gegenüber-Gitarrenspiel begegneten.

Sind Sleater-Kinney also heute noch relevant? Unbedingt!

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