Eines der überflüssigsten Alben des Jahres kommt von Toro Y Moi. „Hole Erth“ spuckt einen logorrhoischen Wortschwall zu lieblos hingerotzten Beats aus und verkauft das Ganze voller Eigenlob als „switchin‘ genres“, wie es im Track „Madonna“ heißt.

Textlich scheint der Künstler zusammen mit vielen (ziemlich unbekannten) Gästen möglichst alles los werden zu wollen, das ihnen je einfiel. So lässt sich kein Thema ausfindig machen, eher eine große Sammlung von Gedankensprüngen wie in unsortierten Tagebuch-Einträgen.

Dabei wäre es Identitäts-Merkmal sowohl des Rappers als auch des Singer/Songwriters, aus Ideen und Worten pfiffige Geschichten und eine verdichtete Form zu machen, und als beides – Rapper und Erzähler – scheint sich Toro Y Moi zu identifizieren.

Heikelster Moment ist im Stück „Tuesday“, als er fordert: „Give me some complexity / some unpredictability!“ Oh ja, Vielschichtigkeit, Unvorhersehbarkeit, das würde man sich auch sehnlichst von dieser Musik erhoffen.

Nun steht der 37-Jährige sinnbildlich seit Jahren für das Verrühren aller möglichen Genre-Welten zu einem Brei. Daraus resultiert überhaupt sein Bekanntheitsgrad. Doch wie er das diesmal umsetzt, das fordert beim Hören schon sehr viel Toleranz ein, sogar Ignoranz in Bezug auf alles, was Musikalität auszeichnet.

Kreativität, Schönheit, Spannung, subversive Kraft oder Emotionalität – hier fehlt es an allem. Beats-Basslinien wie in „Undercurrent“, welche die komplette Geschichte des Achtziger-Pop und Rock von Human League bis zum Seattle-Grunge brachial in einem Atemzug abfrühstücken und in einen EDM-Trap-Brei vermanschen, scheitern. Die Einzelteile lösen sich im Brei nicht auf, sondern schwimmen als unverbundene Fremdkörper darin herum.

Das paranoid klingende Gekreische, bei dem sowieso zu viel an den Auto-Tune-Rädchen gedreht wurde, wirkt pubertär. Vielleicht gehört es fachlich auch zum Mikro-Genre Crunkcore und ist Kunst, möglich, aber hier hat es den Charme mathematischen Kalküls.

Toro Y Moi sonnt sich inhaltlich in einer aufgesetzten und wenig authentischen Loser-Perspektive und lebt sie im Skater-Park aus. Manchmal lassen er und sein Feature-Personal erkennen, dass sie vor lauter Müdigkeit und Bekifftsein die Kiefer nicht auseinander bekommen.

Zweimal tritt als bekanntester der Gäste Don Toliver ans Mikro, seines Zeichens in der Blüte der EDM-Trap-Pionier-Jahre stecken geblieben und nicht weiter entwickelt, obwohl er erst pünktlich zum ersten Lockdown seinen Durchbruch hatte. Okay, Mainstream-Trap ist die letzte Innovation der Musikgeschichte, die sich in mehr als einem Land durchsetzte, aber natürlich heute trotzdem ein alter Hut.

Die Ausgestaltung hier hört sich total banal an. „Hole Erth“ ist ein fauler Kompromiss aus Y2K-Nu School, Grime-Düsternis und behelfsmäßigen Riddims. Sie erwecken den Eindruck, an Discounter-Laptops mit gerippten Programmen entstanden zu sein, die sich ein Selfmade-MySpace-Künstler auf einer Filesharing-Plattform gezogen hat.

Die Klangqualität von all dem Pling-Pling aus dem Sequencer mutet an, als sei sie 2007 stecken geblieben. In die Plastik-Mucke dann noch Punk zu integrieren, führt in „Reseda“ zum Tiefpunkt des Albums.

Zugegeben, ich bin schon sowieso weder der größte Fan von Emocore-Punk noch von Loop-Trap, Toro Y Moi selbst wahrscheinlich auch nicht. Aber darin läge für den Künstler die Chance, mich gerade mit der Stil-Kreuzung zu überzeugen.

So holzschnittartig und brav, wie Toro Y Moi hier aber jedes Proll-Trap-Klischee krampfhaft nachahmt, ohne aus der Szene zu stammen, scheint er diese Musik wohl wegen ihres Trash-Charakters gut zu finden.

Dort, wo das Konzept sich entschiedener der kühlen Downbeat-Elektronik zuwendet, wie in „Undercurrent“, oder dem Drum’n’Bass mit Multiplikation der Stimme im Schlussstück „Starlink“, da sorgt dieses Werk für rare Höhepunkte.

In den schwächsten Momenten vermittelt das Album, sich auf der Vorstufe dazu zu befinden, dass gleich künstliche Intelligenz die Musik übernimmt. „Hole Erth“ ist in Summe ein seelenloses Kopfnicker-Gedudel als Soundtrack zum Kiffen auf verranzten Festival-Campingplätzen nach zu wenig Schlaf und eine klangtechnische Zumutung, die Stör-Alarme von Spülmaschinen nachahmt.

Und das Ganze tritt auch den Beweis an, dass Mumble-Rap einer Haltung entspricht, die sich kaum ausdrucksstark mit anderen, noch dazu rockigen oder elektronischen Genres verbinden lässt. Die nächste Platte des Allrounders wird sicher wieder anders und besser.

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