Ben Howard darf sich zu den Wegbereitern einer modernen Singer/Songwriterszene zählen, für die er auch zur Inspiration wurde. Der mit einem Brit-Award ausgezeichnete Musiker hat mit seinem ersten Album „Every Kingdom“ und der Hitsingle „Keep Your Head Up“ die Charts Europas erobert, das 2014 erschienene „I Forget Where We Were“ brachte Ihm die Topplatzierung in seiner Heimat Großbritannien ein, was ihm mit seinem vierten Album „Collections From The Whiteout“ 2021 noch einmal gelang.
Das zehnjährige Jubiläum nimmt Ben Howard als Anlass, sein Erfolgsalbum noch einmal live vor Publikum zu spielen. Daraus wurde eine europaweite Tournee, auf der er auch in der Alten Philharmonie im Münchner Fat Cat Kulturzentrum (früher Gasteig) Halt macht. Etwas, das nicht selbstverständlich ist, musste der Musiker 2022 doch zwei Schlaganfälle verkraften, die er auf seinem mittlerweile fünften Longplayer „Is It ?“ letztes Jahr verarbeitet hat.
Ben Howard eilt der Ruf voraus, ein intensiver und eindringlicher Livemusiker zu sein. Seine Performances leben nicht nur von seinem markant eingängigem Gesangsorgan, auch die umfangreiche Instrumentierung lässt die reflektierten Emotionen seiner spirituellen, aber auch sozialkritischen Texte wuchtig wogend über die Hörer*innen hereinfallen.
Zunächst war es aber an Bess Atwell, die gut besuchte Alte Philharmonie mit ihren Folksongs zu unterhalten. Ihre Countrystimme und ein Gespür für Arhythmik bestimmen ihr Debütalbum „Light Sleeper“.
Wenig später betritt Ben Howard mitsamt seinen acht Bandmitgliedern die Bühne. Mit raumgreifenden Gitarrenarangenents versteht er es, Songs entstehen und wachsen zu lassen. Live wird daraus auch ein cineastisches Erlebnis.
Das Publikum schweigt und staunt, wenn die zahlreichen Soundeffekte und hallenden Saitenklänge die Alte Philharmonie in einen atmosphärischen Klangteppich hüllen, dabei überfrachtet, aber nie überladen wirken und regelmäßig mit Howards Stimme verschmelzen, nur um wenig später wieder aus der Innigkeit zu entkommen.
Bei „She Treats Me Well“ ist die Bühne im Sonnenaufgangs-Orange gehüllt und lässt Howard in Erscheinung treten, hält er sich doch den Rest des Abends in der Düsternis der Bühne, passend zum Textwerk, auf.
Ja, „I Forget Where We Were“ gehört zum düsteren Erlebnis, das bei annähernd zwei Stunden Live-Erlebnis aber keineswegs bedrückend wird, wie auch der frenetische Applaus des Publikums am Ende des Abends beweist.
Ben Howard zeigt, wie sehr seine Songs in einer klassischen Philharmonie-Umgebung wirken. Ein wuchtiges Klangerlebnis, das mit seinen Effekten die tiefgreifenden Texte des Briten verzerrt oder verstärkt, je nachdem wie sehr man sich auf das Konzert einlassen kann.