The Stylistics brachten im Jahr 1971 den Ohrwurm „People Make The World Go Round“ heraus. Rapper Snoop Dogg lässt nun wissen, genau er „makes the world go round“. Dafür, dass dem so sei, haben seine letzten fünf größeren Veröffentlichungen jedoch für kläglich wenig Wirbel gesorgt.
Zuletzt waren unter anderen ein Gospel-Album sowie eine Supergroup mit E-40 und Ice Cube außerhalb von US-Szene-Kreisen gefloppt. „Missionary“ knüpft an die Anfänge des G-Funk-Pioniers mit Dr. Dre an. Der bot ihm 1992 seinen ersten Plattenvertrag an, nahm das Debütalbum mit ihm auf. Seither fabrizierte der Doktor etliche einzelne Album-Tracks auf weiteren Scheiben für Snoop Dogg, und auf „Missionary“ übernahm er erstmals wieder die Regie des gesamten Werks.
Die letzten Male, dass der Weltstar aus dem Metropolraum L.A. wirklich Schlagzeilen mit seiner Musik entfachte, waren 2015, als er mit Pharrell Williams auf Funk setzte, und 2013, als er in den Reggae fremd ging. Ein bisschen Reggae gehört auch jetzt wieder dazu. Denn der Kalifornier covert Nattali Rize mit neuem Text.
Dabei sind die jamaikanischen Wurzeln gar nicht so weit weg, und sie waren dem zum Rastafari konvertierten Rapper sogar einen Film wert. Schließlich waren es Migranten von der Insel, die den Hip-Hop in der Bronx entwickelten.
Am Anfang gehörte zur ‚Street Culture‘ dort ganz klar das Sampeln, das man nicht heimlich tat, sondern stolz. Stolz darauf, dass man starke Songs kannte, sie im Flow verwursten konnte und oft die Genehmigung der Urheber erhielt.
Southern-Rock-Gitarrist Tom Petty rutscht nun posthum in Snoops neue Kollektion, auch Sting. Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ taucht in der Hookline von „Hard Knocks“ auf. Fehlt noch „Tom’s Diner“?! Doch, natürlich, auch der ist jetzt dabei, zu hören in „Sticcy Situation“. So könnte man bei „Missionary“ von einem Greatest-Hits-Sampler der 1970er und ’80er sprechen.
Wenn man mal, wie hier von Suzanne Vega, kein grünes Licht fürs Recycling bekam (oder es zu teuer wäre), blieb immer noch das Interpolieren, also das Nachspielen, als ob es ein Sample wäre. Im Falle von „Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin)“ von Sly And The Family Stone hört sich das in „Thank You“ schon sehr undankbar, skizzenhaft, symbolisch und skelettartig an.
Die Machart der Beats auf „Missionary“ unterstreicht diesen Ansatz, auf Assoziationen und starke Melodie-Schnipsel zu setzen, jedoch wenig Wert auf Feinheiten zu legen. Technisch gesehen, wirkt das ganze Werk schnell und spontan zusammen gebastelt, und bevor die Macher – zum Beispiel Produzent Dr. Dre – den Spaß verloren, sprang die Crew lieber unverrichteter Dinge zum nächsten Track.
Das Ergebnis ist ein bisschen wie Teig-Rohmasse, aus der noch nichts gebacken wurde. Das trübt jedoch kein bisschen den Umstand, dass „Missionary“ unglaublich leicht zugänglich ist und ohne Füll-Stücke auskommt. Daneben lebt das Album von den Stimuli einer langen Gästeliste, immer wieder neuen Stimmen.
Das Namedropping reicht von Eminem über Method Man zum überaus angesagten Jelly Roll, den Snoop Dogg kennt, seit dieser 17 ist und der ihm schon damals, 2002, zwei Stücke fertigte. Von der weiblichen Front sind das noch unbeschriebene Blatt Stalone (eine Engelsstimme) und Cocoa Sarai dabei.
Cocoa, 33, Co-Autorin und Background-Sängerin von Anderson .Paak, mit ihm bereits Grammy-Gewinnerin, treibt sich schon einige Jahre im Umfeld von Dr. Dre herum. Hier in „Fire“ und im fett groovenden „Sticcy Situation“ macht sie eine sehr gute Figur.
Zur stimmlichen Vielfalt und Quantität auf „Missionary“ kommt die Vehemenz dazu. Nicht nur, weil einer der Tracks „Pressure“ heißt, sondern weil der 53-jährige Gastgeber fortwährend rappt, wie ein Hochdruckreiniger saugt.
Der Unterhaltungswert und die Eingängigkeit können sich sehen und hören lassen. Insbesondere, wenn die Platte mit der Dynamik zwischen Stakkato-Raps und zurückgelehnten R&B-Refrains spielt, wie in „Gorgeous“ mit Jhené Aiko und einer tollen Instrumental-Phase am E-Piano. Oder, wenn die Scratches richtig funky klingen wie in „The Negotiator“. Hier kommt verblüffenderweise keine Langeweile auf, obwohl die Scheibe keinen hohen Anspruch hat.
„Missionary“ ist gutes Entertainment geworden, wird jedoch mittelfristig die Rap-Welt nicht aus den Angeln heben. Schön ist es trotzdem, dass 2024 nach Common, Pete Rock, Rakim, LL Cool J, Ice Cube und MC Lyte (auf ihrem „1 Of 1„) noch ein weiterer wegweisender Interpret der ‚Golden Era‘ den heute dominierenden Trends zu Trap, Hip-Pop, Drill und Afrobeats widersteht.