Tunng gibt es zwar schon seit 2003 – ihr ungewöhnlicher Folktronica-Sound fällt aber auch 21 Jahre später noch aus jeglichem Raster. Offiziell zum 20. Bandjubiläum angekündigt brilliert das britische Sextett auf dem neuen Studioalbum „Love You All Over Again“ mit Sanftmut und Geschick.

Geschick deswegen, weil viele Passagen der Platte, für sich gesehen, recht bieder daher kommen. Folk-Instrumente bilden den Teppich, auf dem die Gesangsharmonien scheinbar ewiglich bekannte Melodien an die nächste Generation übergeben. Recht rührselig, aber auch recht blass.

Hier stoßen Tunng mit ihrem bekannten Muster aus kantigen Synthesizern und brutzelnden Störgeräuschen immer wieder aus dem wattigen Wollmantel heraus.

In „Everything Else“ klingt das noch harmlos, in all diesem sanften Geträume vom Schlafen in der großen Eiche könnte man die elektronischen Piep-Geräusche im Hintergrund noch wegblinzeln.

Im Albumverlauf nehmen Tunng dafür gerne auch mal das Zepter an der Hand – etwa im absurdesten Song der Platte „Yeekeys“, der Rhythmen und Melodien aufbricht und Hörgewohnheiten herausfordert.

Schöner wird es aber besonders dann, wenn sich analoge und elektronische Instrumente die Hand reichen – allen voran im sehnsüchtigen „Sixes“, das die Stimm- und Soundverfremdungen wohl dosiert zwischen der klassischen Folk-Melodie einwebt.

Immer wieder nehmen sich Tunng die Zeit, ihre Songs größer und anmutiger werden zu lassen – wer 20 Jahre eine Band betreibt, hat keinen Stress mehr. Die Leute hören ja eh zu.

Aber selbst, wer nicht aktiv zuhören möchte, findet mit dieser Platte eine ungemein beruhigende Begleitung für den Alltag – die grundlegende Harmonie und Sanftmut von „Love You All Over Again“ wird durch die elektrischen Störungen zwar konterkariert, aber doch nie völlig ad absurdum geführt.

Spätestens, wenn es mal ganz instrumental wird wie beim verträumten „Drifting Memory Station“ ist der Klick zur Einschlaf-Playlist dann aber auch nicht mehr ganz so weit.

Mit „Deep Underneath“ hat sich dafür ein Kleinod im hinteren Viertel verborgen, das mit mittelalterlichen Fanfaren auffährt und etwas Imposanz in das ansonsten so zurückhaltende Album bringt.

Eine Platte zum Tee Trinken und aus dem Fenster schauen.

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