Greentea Peng aus London hat schon viele Stadtteile der Metropole und mehrere Kontinente näher kennen gelernt. Stationen ihrer Teen- und Twen-Jahre verbrachte sie in Peru, Mexiko, Jamaika. Vieles an ihrem ersten Album „Man Made“ griff 2021 alte elektronische Genres und Stil-Fusionen Londoner Prägung auf, das neue Album „Tell Dem It’s Sunny“ setzt diese Entwicklung jetzt fort. Dabei spielt, außer den mal lebhaften, bisweilen meditativen Beats, der lyrische Gehalt eine enorme Rolle, denn die Künstlerin analysiert gerne sich selbst und die Welt. Wir sprechen mit ihr über gesellschaftliche und spirituelle Themen sowie über ihren Platz in der Musiklandschaft.
MusikBlog: Mehrere Tracks auf „Tell Dem, It’s Sunny“ handeln davon, einen inneren Frieden zu suchen. Teilweise wirken die Texte dazu skeptisch. Glaubst du denn noch an eine Art inneren Frieden?
Greentea Peng: Ja, ich bete und glaube und hoffe und versuche ehrlich zu lieben. Aber ich kann keineswegs sagen, dass ich dabei eine strikte Praxis ausüben würde. Ich verfolge meinen eigenen Weg auf einem spirituellen Pfad, nehme Einzelelemente von hier und dort und befinde mich im fortwährenden Erforschen, um schließlich ein guter Mensch zu sein. In diesem Zeitalter des Spam erweist es sich aber als schwierig. Auch, wenn man sehr zielgerichtet seine Ideale anstrebt, denn wir werden überall mit Ablenkungen bombardiert, Zerstreuungen durchs Smartphone. Es ist anstrengend, positiv zu bleiben, sich einen Fluchtweg offen zu halten.
MusikBlog: Musikalisch ist mir bei dem neuen Song „The End (Peace)“ positiv der träumerische und elastische Drum and Bass aufgefallen. Wer hat das Stück produziert und wie ist die Arbeit abgelaufen?
Greentea Peng: Das waren Earbuds und ein Mann namens Dom. Da kam alles sehr spontan und natürlich zusammen, eigentlich wie bei allen meinen neuen Songs. Hier flossen Oldschool-Hip Hop, Drum’n’Bass und Jungle ein und eigentlich alles, was alt ist. (lacht) Ich war sehr zufrieden, dass es mir möglich war, mit verschiedenen Aspekten meiner Persönlichkeit zu agieren und zu experimentieren, zum Beispiel eben Drum and Bass und Jungle zu erforschen. Damit bin ich mehr oder weniger aufgewachsen.
MusikBlog:: Und entsprechend ist es dir in der Umsetzung leicht gefallen?
Greentea Peng: Ich hatte zunächst diese Basslinie und kam damit über Monate hinweg nicht voran. Irgend etwas fehlte mir. Dieses Element spielte ich St. Francis Hotel, dem Executive Producer, vor. Er dachte sich dazu die ‚B-Parts‘ vom Bass aus, und diese Ergänzung ging auf. Das Ergebnis gefällt mir sehr, denn es repräsentiert für mich die Konversation in meinem Kopf: Dass ich zum einen sage, ‚ja, wir können die Welt ändern‘, und dann, auf der anderen Seite, ‚ja das ist alles bereits vorbestimmt, und wir sind hier um die Reise zu genießen und können einfach tun, was wir wollen, dennoch werden wir ankommen.‘ Ich liebe dieses Lied!
MusikBlog: In vielen deiner neuen Tracks fällt auf, dass du das Thema ‚Licht und Dunkelheit‘ immer wieder ansprichst. Was hat es damit auf sich?
Greentea Peng: Unser Leben basiert auf der Balance zwischen Licht und Dunkelheit, der inneren Auseinandersetzung damit und den Höhen und Tiefen, die damit einhergehen. Auch einer Beziehung zwischen der Kenntnis und dem Unvorhersehbaren. Sie gestaltet sich wie ein ‚Schlacht-Tanz‘.
MusikBlog: Also sprechen wir von einem stetigen inneren Kampf?
Greentea Peng: Ja mit Sicherheit. Es ist Teil meiner Musik, dass ich mich öffentlich zu meinen inneren Kämpfen bekenne.
MusikBlog: Ich verstehe. Nun kann man dieser inneren Unruhe mit verschiedenen Ressourcen begegnen. Bei dir wären das wohl die Musik, Yoga, Literatur, Religion…
Greentea Peng: (lacht) … Ja, und Selbsterforschung. Ich habe das Gefühl, dass unsere Beziehung zu uns selbst, unseren Problemen, unsere eigene Entwicklung etc. eine niemals endende Reise ist – die Reise zu uns selbst. Ich denke, dass das der Sinn dieses Lebens ist, dass wir dafür hier auf der Erde sind.
MusikBlog: Brechen wir das Philosophische auf die aktuelle Alltagswelt herunter: Zwei wirklich schwierige Probleme, in die dein zweijähriges Kind nun hinein wächst, sind heutzutage zum einem Krieg, deren Umstände mittlerweile schwieriger für ein Kind zu verstehen sind als zu den Zeiten, als du aufgewachsen bist. Und zum anderen ist es das Thema Freundschaft, das extreme Veränderungen durch Social Media erlebt hat, zum Beispiel wenn man an Erscheinungsformen wie Ghosting denkt.
Greentea Peng: Aus solchen Gründen nutze ich privat keinerlei Social Media. Ich versuche wirklich, mich – und später meine Tochter – von all dem fern zu halten und mich auf reale zwischenmenschliche Beziehungen und eine Verbindung zur Erde zu konzentrieren. Ich versuche sozusagen, das Leben so human wie möglich zu halten.
MusikBlog: Und wie sieht es mit der Belastung durch die Präsenz des Themas Krieg aus? Die Problematik färbt inzwischen sogar auf die mentale Gesundheit junger Menschen ab, die ein weiteres großes Thema unserer Gesellschaft geworden ist.
Greentea Peng: Ja, ich vertrete den Glauben, dass unsere Umgebung das widerspiegelt, was sich in unserem Inneren abspielt. Daraus resultiert das Chaos unserer heutigen Zeit. Es wundert mich nicht, dass wir uns so davon entfernt haben, ’natürliche‘ Menschen zu sein und die Welt so in Aufruhr ist.
MusikBlog: Okay, du nimmst es also so wahr, dass sich das eine im anderen spiegelt, also das Öffentliche im Privaten, und vice versa?
Greentea Peng: Ja, wir beeinflussen uns gegenseitig, und das ist ein Teufelskreis, der sich geschlossen hat und immer wieder wiederholt.
MusikBlog: Wie funktioniert das ‚Tardis‘ (eine fiktive Raum-Zeit-Maschine aus der britischen Science-Fiction-Fernsehserie „Doctor Who“, Anm. d. Red.) aus dem Stück „TARDIS (Hardest)“?
Greentea Peng: Ich bin nicht einmal ein großer Doctor-Who-Fan, obwohl der TARDIS-Raum daraus stammt. Aber er ist in dem Lied wohl mehr dem ‚Hermine-kehrt-zurück‘-Phänomen bei Harry Potter ähnlich. (Anm. d. Red.: Hermine hat eine Tasche, die klein aussieht, aber verzaubert ist, wodurch alles hinein passt. Sie holt zum Beispiel komplette Outfits, ein Schwert, usw. aus dieser Tasche und beeindruckt damit Harry und Ron.). Von der Außenseite sieht es klein, recht unscheinbar aus. Aber dann betrittst du es, und es stellt sich als ziemlich mächtiger, undefinierter Raum heraus. Grenzenlos hinsichtlich der Kreativität, aber von außen unauffällig.
MusikBlog: Ist die TARDIS-Box auch etwas für Zeitreisen?
Greentea Peng: Ja, sie eignet sich für Zeitreisen. Jedoch habe ich das nicht so sehr auf ein Zeit-Kontinuum bezogen, sondern darauf, dass mein Herz in fließender, konstanter Weise grenzenlos offen ist für Liebe.
MusikBlog: Auf dem Song „My Neck“ bist du nicht alleine, und da geht es auch um Gefühle, Gesundheit und Horizonterweiterung. Was ist die Bedeutung hinter „My Neck“?
Greentea Peng: Es ist relativ wortwörtlich zu nehmen. Ich hatte Probleme mit meinem Nacken, meinem Rücken, mein ganzes Leben lang, auch mit meinen Hüften. Metaphorisch ist es so zu interpretieren, dass ich quasi die Last der Welt auf mir trage. Das manifestiert sich im Körper. Dieser Song ist tatsächlich der einzige mit einem Feature-Gast auf meinem Album. Dabei handelt es sich um meinen Freund Wulu. Ein großartiger Künstler.
MusikBlog: Wo hast du ihn kennen gelernt?
Greentea Peng: In Süd-London.
MusikBlog: Innerhalb der Musikszene?
Greentea Peng: Ja, durch meine Band, mit der ich seit 2018 zusammen spiele. Vorher kannte ich überhaupt niemanden hier, ich bin eher die einsame Wölfin. Ich bin als Kind viel umgezogen, so habe ich mich überall nur vorübergehend aufgehalten. Dadurch hatte ich nie eine starke Community oder Freundesgruppe. Es war aber schön, nun ein bisschen Teil dieser Gemeinschaft zu werden.
MusikBlog: Und deine Band?
Greentea Peng: Sie sind wie meine Brüder, nach über sechs Jahren. Gemeinsam sind wir die Seng Seng Family! So nenne ich sie.
MusikBlog: Ich höre eine ganze Reihe elektronischer Musikstile und Mikro-Genres bei dir heraus. Gleichzeitig würde ich dich zudem als Rapperin oder MC bezeichnen, und auch Neo-Soul, Folk-Soul und vieles weitere klingen vereinzelt an. Neu an „Tell Dem It’s Sunny“ ist für mich, in Abgrenzung zu deiner vorherigen Musik, dass ich dich jetzt guten Gewissens einem Indie-Alternative-Publikum vorstellen kann.
Greentea Peng: Ich finde, dass ich schon immer eine Indie-Alternative-Künstlerin war. Mich versuchen Leute, in eine R&B-Schublade zu stecken, das ist so offensichtlich und langweilig. Dabei habe ich immer Alternative-Musik gemacht. Ich spreche dieses Phänomen auch in meinen Songtexten an: Dass bei einer bestimmten Instrumentierung, einem ethnisch gemischten Hintergrund, einer Frau, in einem herausgegriffenen Hit, sofort gesagt wird: ‚Das ist R&B!‘. Wenn überhaupt, dann handelt es sich um Psychedelic R&B.
MusikBlog: Was bedeutet dir der Begriff ‚Psychedelic‘? Er kann in ganz unterschiedlichen Dimensionen verstanden werden.
Greentea Peng: Er trifft mehr auf das letzte Album zu, „Man Made“. Wir haben viele Pilze eingenommen, die Videos und das Artwork spiegelten das wider. Von Psychedelia hat sich das neue Album aber ein bisschen entfernt, ich würde es eher als geerdet betrachten. Ich bin allerdings ein psychedelisches, ziemlich exzentrisches Wesen.
MusikBlog: Wir haben über eine Reihe einzelner Songs jetzt gesprochen, du nennst „Tell Dem It’s Sunny“ ein kohärentes Projekt. Ist es für dich okay, wenn sich Menschen deine Musik nur teilweise anhören, nur manche Tracks, die sich zum Beispiel in Playlisten befinden? Oder willst du, dass sie das ganze Album hören?
Greentea Peng: Ich würde es natürlich lieben, wenn sich die Menschen mein gesamtes Album anhörten. Aber das ist nur meine Präferenz. Dass Leute heutzutage vielleicht nicht die Zeit dazu haben oder auch einfach nicht die Aufmerksamkeitsspanne dafür besitzen, verstehe ich. Ich selber höre am liebsten das ganze Album, einschließlich Interludes und Skits, um die Musik zu erfassen, aber verstehe es vollkommen, dass das nicht der Weg ist, wie jede Person Musik für sich erleben will.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.