The Cat Empire lassen auf „Bird In Paradise“ keine Vögel zwitschern. Doch auch das hätte kaum überrascht. Denn die exzentrische Band hat sich im Laufe eines Vierteljahrhunderts viele Genre-Zuschreibungen erworben – von Jazz und Funk bis Hip-Hop und Alternative-Rock reichten die Terrains, in denen Fans, Kritiker*innen, Labels und Online-Shops sie als kundig und kompetent beschreiben. Entsprechend hätte The Chameleon Empire oft besser als Bandname gepasst.

Ebenso wie das flexible Tier passten sich die Musiker der Umgebung ihrer Aufnahme-Orte an. Neben der Heimat, dem Großraum von Melbourne, gehörte dazu früher beispielsweise die kubanische Hauptstadt.

In Havanna entstand vor 20 Jahren das zweite Album „Two Shoes“. Am dortigen Son und an der lateinamerikanischen Cumbia nimmt die Gruppe auf „Bird In Paradise“ deutliche Anleihen. Speziell die kubanische Gitarre Tres, die hier viel zum Einsatz kommt, erweckt diesen karibischen Eindruck.

Rhythmik, Tempo, Instrumentierung, Lebensgefühl und manchmal auch Impulsivität von Salsa-Musik werden auf „Bird In Paradise“ groß geschrieben. Ton angebend sind in allen Tracks die Trompeten, die schon für die Ska-Ausflüge der Formation so hilfreich waren.

Hier findet sich bereits die erste Umbesetzung. Denn der langjährige Trompeter und Ko-Sänger Harry James Angus hat die Gruppe im Zuge der Corona-Lockdowns ebenso verlassen, ebenso wie drei weitere Mitglieder, die seit dem Debütalbum im Reich der Katze auftraten.

Das Oktett ist also seit 2022 zur Hälfte ein neues und die Gruppe zugleich diverser geworden. Der eine der beiden Trompeter, Lazaro Numa, stammt aus Kuba, komplett neu präsentiert sich die Rhythmus-Sektion:

Daniel Farrugia ist, seit seinem Bachelor-Abschluss in Jazz vor 20 Jahren, ein gefragter Session-Trommler in Australien. So nahm ihn schon Dope Lemon in seine Dienste.

Neda Rahmani an der Percussion ging im brasilianischen Samba-Reggae in den 1990ern in die Lehre. Sie arbeitete dann mit mehreren jamaikanischen Legenden sowie in Melbournes Soul-Szene. Neda verleiht dem Cat Empire nach so langer Schaffenszeit Frische.

So bringt Neda einheizende, treibende Zweiunddreißigstel-Noten in „Shooting Star“, aber auch im nachdenklicheren „Doing Fine“ zum Klingen. Letzterer Song handelt vom Tod des Bruders von Frontmann Felix (Max, ebenfalls Musiker, starb mit 30 an Krebs). Das Stück ist aber das pure Leben. Trotz des bedrückenden Themas sticht es als besonders energetisch heraus.

Eine weitere Frau neben Neda hat den Bass in der einstmals rein männlich besetzten Band übernommen und singt in einigen Tunes als Lead-Stimme: Grace Barbé. Ihre Herkunft sind die frankophonen Seychellen-Inseln. Entsprechend trägt sie zu mehreren Nummern Textteile in Kreol-Französisch bei. Daneben gibt es zudem spanische Lyrik und, wie gehabt, Englisch.

Häufigster Laut der Platte ist jedoch die Silbe „lei“, die als Lautmalerei nervtötend oft wirkliche Texte ersetzt. Bedenkt man, dass sich The Cat Empire vor vielen Jahren für den maritimen Umweltschutz und für die Situation Asylsuchender einsetzte, so kann man sich über die Einfallslosigkeit mancher Liedinhalte jetzt wundern.

Musikalisch lässt vor allem die B-Seite aufhorchen. Das lange „Devil“ durchläuft eine brillante Dramaturgie mit leisen und polternden Phasen.

„Oh Eh“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie warm ein gelungenes Bläser-Arrangement wirken kann, zu dem wie immer Kieran Conrau an der Posaune beiträgt. Hierin liegt auch der Knackpunkt: Nur wer Blechblas-Klänge liebt, wird an diesem Album dauerhaft Spaß haben.

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Album

Billy Idol – Dream Into It

Album

Bob Mould – Here We Go Crazy

Album

Primal Scream – Come Ahead

Subscribe for notification

Login