Abseits der Black Pumas agiert Gitarrist Adrian Quesada nicht ohne Anlass. Nein, die Black Pumas haben sich nicht zerstritten, es gibt sie weiterhin, und sie blühen auf ihren Tourneen richtig auf, wie ihr Konzert-Album „Live From Brooklyn Paramount“ Ende 2024 zeigte.

Doch Adrian hegt manch heimliche Liebe für andere Musikstile, die er als Puma nicht abbilden kann. „Boleros Psicodélicos II“ ist sein zweiter Solo-Streich nach dem gleichnamigen Teil Eins im Jahr 2022, hat aber ein neues Thema: Das Album widmet sich Latin-Pop-Spielarten der 1960er und 70er in der Interaktion zwischen ihm und anderen.

Teil Eins entstand aus seiner Musik und eingesandten Stimmen von Kolleg*innen. Nun waren persönliche Begegnungen möglich, machen die Musik emotionaler. Quesadas Stimme tritt dabei auch jetzt nicht in Erscheinung. Statt dessen organisierte er eine beeindruckende Phalanx an Gästen, dieses Mal strikt aus lateinamerikanischen Ländern oder mit einer engen Beziehung zu einer oder mehreren Nationen im Süden.

Die Eingeladenen repräsentieren Argentinien (Natalia Clavier), Chile (Gepe), Ecuador (Hermanos Gutiérrez), El Salvador (Angelica García), Guatemala (Trish Toledo), Kolumbien (Monsieur Periné), Kuba (Daymé Arocena), Mexiko (Cuco, Ed Maverick, Mireya Ramos) und Puerto Rico (iLe, die 2022 schon dabei war).

Quesada selbst wuchs an der texanisch-mexikanischen Grenze auf. Sein Anliegen wirkt ein bisschen zu komplex, um es ohne eine Plattensammlung antiker Latino-Raritäten wirklich zu erfassen. Die Songs beziehen sich auf eine vergangene Epoche, sind aber modern produziert.

Durch die Bank halten die verschiedenen Gäste ihre Lieder in Spanisch. Bis auf zwei Tracks – sie sind Instrumentals – „El Diamante“ und das Feature „Primos“ mit Hermanos Gutiérrez.

Während „El Diamante“ ein recht einfacher Rhythmus-Track ohne Schnick-Schnack ist, bringen die Brüder Gutiérrez in „Primos“ die ihnen eigene Psychedelik direkt mit ein und verleihen dem Stück eine ambivalente Atmosphäre: ‚Fühl dich wohl, aber pass auf und sei wachsam‘, will diese Stimmung wohl aussagen. Während das Instrumental eigentlich malerisch sein könnte, fügt Quesada mit Härte an der E-Gitarre auch einen reizvollen Kontrast ein, der das Liebliche (zer)stört.

Solche Spannung wirkt künstlerisch wertvoller als ein paar allzu vorhersehbare Tracks. „Ojos Secos“ mit Cuco zum Beispiel hat als besten Ohren-Kitzel-Effekt zwar in manchen Momenten einen subtilen Dub-Groove, ansonsten kann man sich an diesem Song jedoch so schnell satt hören, wie auch an einem so schmalzigen wie „Tu Poder“.

Der Herz-Schmerz in „Hoy Que Llueve“ („Heute regnet es“) lässt immerhin psychedelische Riffs aufbranden. Am Schnulzen-Charakter des Songs ändern sie jedoch nichts.

Das Gros der Lieder vermag aber durchaus zu beeindrucken: Einmal, weil Adrian Quesada sich mit starken, leidenschaftlichen Stimmen umgibt, die lodern und voller purem Leben stecken, wie etwa die der schwelgenden Latin-Grammy-Preisträgerin iLe (Ileana Mercedes Joglar). Sie setzt sich in „Bravo“ zwischen dicken, soundtrack-artig auftragenden Bläsern durch.

Charts-Shooting-Star Ed Maverick und auch die entzückend klingende Jazz-Akademikerin Angelica García aus Obamas Playlist-Favoriten, beide in warmen, hochwertigen Arrangements, liefern mit „Afuera“ und „No Juego“ Höhepunkte.

Catalina García vom Kollektiv Monsieur Periné bringt mit ihrer Gruppe Streicher ein und sorgt für gemächlichen Retro-Soul. Was am gemeinsamen Song „Agonia“ jedoch besonders auffällt, ist die Loop-Technik, die Quesada dem Hip-Hop entleiht und mit wiederum Filmmusik-Stil verbindet. Heraus kommt eine Klangmischung so weich wie Softeis.

Man muss „Boleros Psicodélicos II“ nicht mögen, nur weil man Black-Pumas-Fan ist – Adrian Quesada legt hier ein ganz anderes Konzept vor. Immerhin bereitet er einigen Kolleg*innen die Bühne, die kommerziell gesehen viel größer sind als er und in Verträgen mit großen Platten-Labels den Pop-Mainstream ihrer spanischsprachigen Länder bedienen.

Auch wenn das Ergebnis stellenweise zu seicht geworden ist, sind diese „Boleros“, die mit Ravels „Bolero“ nun nichts zu tun haben, als Experiment ganz interessant.

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