Von der Ohrwurm-Fabrik zum Art-Pop-Ensemble. Jedenfalls hört sich der musikalische Werdegang von Pulp so an, die mit „Babies“ oder „Common People“ schmissige Hits ablieferten, bevor die Musiker*innen um Jarvis Cocker 1998 mit „This Is Hardcore“ ein glamouröses Opus Magnum zwischen Titeltrack-Drama und „Help-The-Aged“-Powermelancholie vorlegten.
Auch „We Love Life“, der vor 24 Jahren erschienene letzte Longplayer, setzte auf opulente Arrangements. Nach diversen Trennungen und sporadischen Auftritten war die Aufwärmphase vor der 2023er Reunion-Tour die Geburtsstunde von „More“, in der – nachdem „Hymn Of The North“ bereits Simon Stephens Theaterstück „Light Falls“ begleitete – Ideen für das achte Studioalbum zusammengetragen wurden.
Im Herbst des vergangenen Jahres in London eingespielt, ist ein 11-Teiler entstanden, der alle Tugenden der Band vereint, von Produzent Tom Ford – in jüngerer Vergangenheit mit The Last Dinner Party und Fontaines D.C. für zwei Acts der Stunde verantwortlich – unter Ausschluss von KI und unter Einschluss von Bestandsdemos veredelt wurde.
Vorbote „Spike Island“ nahm den Tenor der Platte vorweg, elegante Slidegitarren und unaufdringlich involvierte Streicher geben den Songs eine organische Grundierung, platzieren sich einige Nummern im Verbund mit der Eingängigkeit flächiger Synthies fast schon im Alleingang auf der Setist des DJs der Disco 2025.
„Tina“ dreht dabei weitschweifige Melodierunden, baut „Grown Ups“ einen Klangturm so komplex wie das zu behandelnde Thema, nimmt die funky Bassline von „Slow Jam“ den Titel wörtlich, lässt sich „Got To Have Love“ in den Soul fallen und wird entspannt über den „Farmers Market“ geschlendert, um schlussendlich in „A Sunset“ zu blinzeln.
Auch nach dem 60. Geburtstag hat der Frontmann samtigen Sexappeal – „My Sex“ – in der Stimme, kann per „Partial Eclipse“ nachgehört werden, was er meint, wenn er angibt, als Best Ager über Beziehungsthemen viel besser schreiben zu können als auf dem Karriere-Zenit, hat sich, bei aller nach wie vor vorhandener Ironie in seinen Texten, seine Sicht nach pandemie-bedingter Stadtflucht auch auf andere grundlegende Dinge geändert.
Mit dem ihrem 2023 verstorbenen Bassisten Steve Mackey gewidmeten „More“ lassen Pulp ihre Britpop-Interpretation noch einmal in Würde hochleben und überführen ihren speziellen Sound in ein zeitloses Spätwerk.