DJ Premier hat zweifelsohne Rap geprägt wie nur wenige, Nas seinerseits ebenso. Auf „Illmatic“, dem weltberühmten Debütalbum, das Nas 1994 veröffentlicht hat, war auch DJ Premier zu hören. Dieser steuerte damals zwei Tracks bei und in Nas‘ Laufbahn immer wieder mal einen.

Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Beatmaker wirklich einen kompletten Longplayer durch konzipiert wie jetzt mit „Light-Years“. Das Album geht damit in die Richtung von Snoop Doggs Kooperation mit Dr. Dre vor einem Jahr: Die Kombination ist ähnlich hochkarätig, die Wurzeln reichen ähnlich weit zurück. Nur war „Missionary“ das Westcoast-Gipfeltreffen, Nas und sein DJ sind von der Eastcoast, aufgewachsen in New York City, an der Geburtsstätte des Hip-Hop.

Nas heißt bürgerlich Nasir bin Olu Dara Jones und einer der Tracks auf dem neuen Album „Light-Years“ entsprechend „Nasty Esco Nasir“. Sein Name entstammt der Yoruba-Sprache, denn sein Vater hatte sich offiziell in den Vornamen Olu Dara umbenannt. Auf Yoruba bedeutet das „der Herr ist gut“, es ist eine religiöse Wendung.

Nun muss man also einräumen, dass Nas mit einem Vater, der Musiktheorie studiert hatte und ihm das Erlernen eines Instruments, Trompete, ermöglichte, manches in die Wiege gelegt bekam. Ebenso musste er auf der professionellen Ebene keine nennenswerten Hürden meistern. MTV (R.I.P.) lag ihm von Anfang an zu Füßen, und eine Pforte im Musikbusiness öffnete flink die nächste.

Es gibt aber sehr wohl die andere, die düstere ‚Ghetto-Kid‘-Seite. „Nasty Esco Nasir“ ist stilistisch Hardcore Boom Bap und heißt nicht zufälligerweise als Idee von 2025 so, sondern weil dieses Album die ganz große biographische Abrechnung ist und die allererste Single noch unter dem Namen Nasty Nas erschien.

Und nasty an Nas war damals in den 1990ern seine finstere Art, mit der er eine harte, hoffnungslos scheinende Realität beschrieb und ihr doch ein wenig Sonnenschein abtrotzte. Hier haben wir die Verbindung zu De La Soul und mehreren Sonnenschein-Liedern und Plädoyers dafür, nie aufzugeben, auf deren Album „Cabin In The Sky“ im Rahmen der Serie „The Legend Has It“.

Nas hat 2025 eine Alben- und EP-Serie, über das Jahr hinweg organisiert, auf seinem Label Mass Appeal veröffentlicht, und wenn man mit dem letzten Release „Light-Years“ alle Teile zusammen legt wie ein Puzzle, wird ein tieferer Sinn und ein überspannender Bogen erkennbar:

So ist zum Beispiel auch Rakim einer der beteiligten Künstler, und Nas erhielt zu Anfang seiner Karriere schon von MTV den Beinamen ‚der neue Rakim‘.

Mobb Deep erschienen im Oktober in dieser Serie und waren ein Duo, von dem nur noch einer am Leben ist. Beide hatten ebenso wie Nas einen jazz-akademischen familiären Hintergrund, sie besuchten beide sogar eine High School mit künstlerischer Ausrichtung. Der aktiv gebliebene Havoc von Mobb Deep, hier jetzt zu hören im interessanten Song „Writers“, wuchs in denselben Sozialwohnung-Blocks auf wie Nas selbst.

Der Tod überschattete De La Souls neues Album, denn „Cabin In The Sky“ ist der Abschied der beiden überlebenden Mitglieder vom verstorbenen Dritten.

Und Nas selbst verlor in jungen Jahren seinen besten Freund, der eigentlich sein Beatmaker sein sollte, ‚Ill Will‘, dem er dann nachher den Albumtitel „Illmatic“ widmete: Ill Will wurde eines Nachts erschossen, es war 1992. Nas war 26, es war ein einschneidendes Ereignis für sein Leben.

Auf Nas‘ Debütalbum ging es viel um die Crack-Krise in den Metropolen an der Ostküste damals, die Rapperin Nonchalant machte dort 1996 ihr einziges Album über dieses Thema, Drogen-Tote, Kriminalität, überforderte Polizei – eine Milieustudie. Nonchalant bekommt hier auch ihre Würdigung in „Bouquet (To The Ladies)“.

Ein Bouquet ist ein Blumenstrauß. Nas und ‚Prem‘, also DJ Premier, überreichen ihn hier – mit LL Cool J als Background-Stimme – einer unfassbar interessanten Anzahl an Frauen, die sich im Westen wie auch Osten der USA kurzzeitig Hip Hop-Meriten erwarben, an die aber heute so gut wie keiner mehr denkt. Der Song markiert ein riesengroßes Problem: Es ging in den 2000ern steil bergab mit der Präsenz des weiblichen Geschlechts im Rap-Geschäft.

Die Liste im „Bouquet (To The Ladies)“ beeindruckt so wie die jazzaffine Machart des Stücks und die würdevolle, schwungvolle Art von DJ Premiers Synth-Geigen-Unterleger unter dieser kleinen Präsentation. Der Song ist ein Referat, eine Lobrede. Die Herren räumen ein, das einige Frauen den Hip Hop ‚gepusht‘ hätten. Außer Salt ’n’ Pepa fallen im Sekundentakt tolle Namen.

DJ Premier bezieht aus einer kürzlichen Zusammenarbeit  mit Remy Ma und Rapsody zum 50. Geburtstag von Hip-Hop auch diese beiden Namen ein. Remy Mas Karriere aus den 2000ern endete durch eine Inhaftierung, Rapsody ist eine der aktuellen namhaften rappenden Frauen. Im Song erscheinen sie als „all straight killers“, das ist großes Lob. Nas erinnert daran, bei seinem ersten Major-Label Columbia von einer Frau unter Vertrag genommen worden zu sein. „And if you know who you are / why don’t you make yourself seen?“, fragt der Track.

Wenn man beim Erinnern ist, muss man aber ankreiden, dass definitiv eine Große fehlt, Nas Ex-Frau Kelis. Was er ihr möglicherweise angetan hat, an häuslicher Gewalt, Gaslighting, Bedrohung, und wie sie als Alleinerziehende nach der Trennung von ihm schwer im Business weiter Fuß fasste, das öffentlich aufzuarbeiten wäre hier eine gute Gelegenheit.

Angie Martinez, Rapper-Kollegin, die mal als Radio-DJ den Stein eines Diss-Battle ins Rollen brachte, lässt Nas ganz subjektiv ebenfalls aus. Somit bleibt das Album nicht frei von Themaverfehlung. Es lässt aber trotzdem viel Leidenschaft und Feuer spüren, was alle überraschen mag, die finden, dass Nas inflationär viele Alben und EPs herausbringt. Wie soll in der Flut noch Premium-Qualität entstehen?

„Light-Years“ transportiert immens viel textlichen Inhalt, etwa wenn „Welcome To The Underground“ den Sinn von Hip-Hop-Platten philosophisch und historisch spannend, scharf und wortreich abhandelt.

Die verbale Umsetzung ist manchmal (aber nicht durchgehend) so geschliffen und erstklassig, wie sie vom Debüt an immer wieder mal war. Die Beats von DJ Premier passen homogen zusammen, das ganze Album hat einen stringenten, tendenziell schönen Flow.

Gleichzeitig herrscht auch Vielfalt von Milleniums-Ästhetik aus der Zeit um 1999 – in „Junkie“ samt Lalo Schiffrin-Sample – bis zur Kombination aus Kontrabass und Industrial-Noise in „Git Ready“.

„NY State Of Mind Pt. 3“ knüpft an frühere Teile von Premier an und sampelt hemmungslos Billy Joel. Es gibt Akkorde voller surreal verschwimmender mellowness und Synkopen, wenn urplötzlich Beats überspringen werden und diese Stellen wie ein Funkloch wirken, zum Beispiel in „Sons (Young King)“, einem Song, der textlich institutionalisierten Rassismus anspricht.

Manches Sample hätte es nicht gebraucht, wie etwa die schlaffe Ausschlachtung der Steve Miller Band und von deren allzu oft recyceltem „Fly Like An Eagle“. Das betreffende „It’s Time“ markiert den Tiefpunkt der Platte und liefert mit Klischee-Zeilen, die jeder texten könnte, wie „I use every second as a weapon“, auch schwachen Inhalt.

Auch „Shine Together“ geht in Richtung ‚Füll-Stück‘, die Taktmaße von Worten, Keyboard-Klimpern, Scratches und Drum-Beats wirken unruhig und unrund aufeinander abgestimmt, es kommt kein Gefühl herüber.

Namenlose Stimmen wuseln gelegentlich durcheinander, ohne dass man noch etwas Inhaltliches oder die Personen zuordnen könnte. Manch anderes zeigt zwar handwerklich großes Geschick, fühlt sich jedoch trotzdem wie tausend Mal anderswo gehört an, zum Beispiel „3rd Childhood“ und „My Story Your Story“. Auf Dauer nervt es ein wenig, dass die Snare-Klänge fast alles übertünchen und mehr als fett in den Vordergrund gemischt sind.

Was De La Soul schafften, durch extrem viele Feature-Gäste von breiter Diversität und durch Hörspiel-Phasen lebhaft und atmosphärisch zu werden, das fehlt bei Nas und DJ Premier leider völlig.

So hat „Light-Years“ zwar seine guten Seiten, wenn man einfach nur knallende Sounds zur Berieselung wünscht, lutscht sich jedoch bei genauem Hinhören schnell aus. Die klaren Highlight kristallisieren sich schnell heraus, die autobiographischen Titel „Writers“ übers Texten und „Pause Tapes“ übers Herstellen von Beat-Loops.

In „Pause Tapes“ schildert Havoc von Mobb Deep in einem gesprochenen Intro seine Erfahrungen: „I didn’t have all the extravagant equipment. / This is back in the late 80s. / I used to listen to music on the radio that I liked, particularly old school, like 70s. / I would record it and then after I recorded a certain part that I liked / I would record, loop, record, loop, record, loop until it just became one beat. / That was the beginning of me making beats.“ – Das Stück ist durch und durch voller Thrill, knistert regelrecht.

„Writers“ lässt Rakim mit im Chor krähen und hypnotisiert mit einem wahrhaft schillernden Instrumental unter der Beschreibung, wie Nas assoziativ Texte baut, und welche Rolle Graffitis dabei als inspirierende Kunstform spielen und zieht uns hinein in die Sprayer-Kultur. Einst bezeichnete man sie als eine der vier Säulen des Hip Hop-Lebensstils, doch allzu selten hört man Songs darüber.

Man kann das alles weitgehend nett finden, angenehm. Jedoch folgen die Tracks beliebig aufeinander, obwohl die meisten durch die biographischen Bezüge eine Steilvorlage für einen ordentlichen steigernden Aufbau mit helfenden Skits und Interludes für die Klarheit böten.

Durchwachsen mag „Light-Years“ geraten sein, wobei es sehr auf den Anspruch und Maßstab ankommt, den man anlegt. Ein Album, das man gehört haben müsste, ist das Werk nicht geworden, dafür vermasseln zu viele halbgare Fade-Outs, Wiederholung von Strickmustern, vereinzelt sogar schlechte Samples und Beats, inhaltliche Ungereimtheiten, fehlende Professionalität bei der Kennzeichnung der Mitwirkenden und eine komplett ausbleibende Dramaturgie die Qualität.

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