„I’m always exhausted,” sagt Leit-Schwan Michael Gira und “The music, it just has to be right, so I don’t give up. It’s fear of failure. It’s like strangling an unruly cat.” Das ist sicher nur einer der Gründe, warum zwei Jahre nach dem Monumental-Album „The Seer“, welches durchaus den Eindruck des abschließenden Opus-Magnum erweckte, schon das nächste Sound-Ungetüm aus dem Hause Swans folgt.
„To Be Kind“ ist das neue Werk betitelt und selbstverständlich ist es weder freundlich noch hat es etwas durchgreifend Versöhnliches oder wie es dieser Tage gerne und oft heißt: etwas Deeskalierendes.
Wieder ist ein Brocken mit 2 Stunden Laufzeit entstanden, wobei der überwiegende Teil der Stücke auf der 2012`er Tour entwickelt, von Gira produziert und außer dem Mastermind selbst mit der Besetzung Norman Westberg, Kristof Hahn, Phil Puleo, Thor Harris und Christopher Pravdica auf einer Ranch nahe El Paso eingespielt wurde. Etliche Gastmusiker sowie „Ehrenschwan“ Bill Rieflin, schon regelmäßig bei den Angels Of Light an der Seite des Meisters, vervollständigen das Orchester.
Gira verzichtete bei den Aufnahmen zugunsten von Live-Atmosphäre auf Klangqualität (das könnte natürlich auch daran liegen, dass das exzessive Leben seiner Musik ihn etwas schwerhörig gemacht hat wie seine Bandkollegen behaupten), was den Toningenieur einige Nerven kostete.
Das Cover des Albums zeigt eines von sechs verschiedenen Baby-Porträts, die vor über 30 Jahren von Bob Biggs gemalt wurden. Seit dieser Zeit geistern die feisten Kinderköpfe ohne Hals, die aussehen wie die Beute einer Ork-Horde, als Artwork- Idee für eine Platte durch Giras Gedanken, aber der befreundete Maler wollte die Werke nie freigeben, was jetzt mit viel Hartnäckigkeit und Überredungskunst gelang. Für den Swans Bandleader sind die Kinder die unschuldigen Wächter der jetzigen Aufnahmen.
Der Einsteiger „Screenshot“ wird sofort zum Paradebeispiel Swans`scher Soundkonstruktion, ein monotones Grundgerüst wird mit stoischem Gesang gepaart und vom Gebimmel diverser Schlagwerke begleitet. Harte Bass-Schläge treiben unerbittlich nach vorn, bis schließlich ein Instrument ausbricht und die Massenpanik der Verbliebenen nicht mehr aufzuhalten ist. Trotzdem erweckt nicht nur dieser Titel ein wenig den Eindruck, man könnte durch einen kleinen Spalt in das Innere des Klangmonsters schauen, um das Wirkprinzip zu verstehen.
„Einige Stücke sind sehr melodisch“ sagt Michael Gira dazu und für seine Verhältnisse stimmt das auch, „Natalie Neal“ könnte diesbezüglich Referenz sein. Auch Gastvokalisten haben sich wieder auf das Klangabenteuer der New Yorker Künstler eingelassen. An vorderster Stelle ist Annie Clark alias St.Vincent zu nennen, die schemenhaft durch gleich mehrere Aufnahmen flattert, weitere Stimmbeiträge kommen von Little Annie und Cold Specks.
Kurze Stücke sind den Schwänen traditionell fremd und so bringt es das zentrale „Bring The Sun/Toussaint l`Overture“ wieder auf satte 34 Minuten, wobei das Anhören dieses Stückes eine sehr bewusste Entscheidung ist, die nicht vor Einbruch der Dunkelheit getroffen werden sollte. Wenn man am Ende dieses rauschhaften Taumels wieder wirr vor sich hin starrt, erscheint es umso rätselhafter, wie derartige Stücke live umsetzt werden können.
„Some Things We Do“ bahnt sich mechanisch und monoton den Weg durch alles „Rage“, „Feel“, „Fight“ und „Betrayal“ des Lebens, bis es an dessen Ende „Love“ das Duell gegen „Fuck“ gewinnt. Unisono greift das 17-minütige „She Loves Us“ (welches nach dem ersten Drittel tatsächlich Songstrukturen aufweist) dieses Thema auf, um nach der Reise durch Menschenhass und Nihilismus unseres tristen Primatenlebens, dieses mit seinen Hauptvokabeln auszudrücken: “Fuck” und “Halleluja”.
Wenn die Aufnahmen bis hierhin noch mit Blixa Bargelds Worten „Das Recht zu kontrollierten Rasereien“ aus dem Track „Headcleaner“ beschrieben werden können, gerät die Angelegenheit bei „Oxygen“ aus dem Ruder, keinesfalls möchte man diesem rasenden Mob im Dunkeln begegnen: Wütend und tobend kommt das Album zum Schluss.
Der Titelsong, der nach dem Explodieren in der Mitte als harmonie-zerfetzendes Etwas endet, schließt das Album im Sinne von Walter Benjamin: „Der destruktive Charakter ist jung und heiter. Denn Zerstören verjüngt, weil es die Spuren unseres eigenen Alters aus dem Weg räumt.“
Die akustische Auseinandersetzung mit den Swans gleicht auch auf “To Be Kind” der Begegnung mit diesen aggressiven Wasservögeln an einem See: trotz allen Gefauches und sonstiger Drohgebärden gleitet das Vieh letztlich in erhabener Schönheit davon. Der Hörer bleibt am Ende jedenfalls das, was er vorher war: ein Nichtsnutz, wesentlich und unbedeutend.