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Mal unkonventionell, mal umso konventioneller – Land Observations im Interview

James Brooks, Köpfchen und Händchen hinter dem klangvollen Namen Land Observations, ist Dolmetscher. Oder Künstler. Oder ein dolmetschender Künstler? In jedem Falle macht der Londoner es sich zur Aufgabe, seine Liebe zu Beobachtung und Detail haargenau in musikalische Themen zu übersetzen. Dabei haucht er dem eigenen musikalischen Schaffen ein Konzept ein, welches sich konsequent durch die Werke zieht – bewaffnet mit lediglich einer Gitarre, Loops und Effekten geht es auf Reisen. Diese beschreibt James recht gelassen, drückt sich stets gewählt und umsichtig aus. Allein seine Wortwahl im Gespräch mit MusikBlog lässt ihn als duften, etwas introvertierten Kerl erscheinen, mit einer gewissen Portion Philosophie hinter jeder Aussage – so, wie sich seine reinweg instrumentale Musik am besten beschreiben ließe.

MusikBlog: James, dein neuestes Werk „The Grand Tour“ widmet sich voll und ganz dem Konzept des Reisens. Hast du die Schauplätze, welche du in deiner Musik verarbeitest, denn je selbst alle zu Gesicht bekommen?

James Brooks: Tatsächlich habe ich die meisten Orte persönlich erlebt, ja. Doch das Album handelt nicht einfach nur von den physischen Reiseerlebnissen. Vielmehr ist die Idee dahinter dem imaginären Reisen gewidmet. Das finde ich wahnsinnig interessant: Wir sitzen alle täglich hinter unseren Bildschirmen und haben mit Hilfe weniger Klicks Bilder aus der ganzen Welt verfügbar. In allen Köpfen kursieren somit Ideen von bestimmten Orten – und mein Album soll hier ansetzen, Bilder entstehen lassen und Vorstellungen vertiefen.

MusikBlog: Du malst also mit Ton und Klang.

James: Ganz genau. Es ist, wie ein Buch zu lesen: wir stellen die Wörter, Sätze und Geschichten auch in unseren Köpfen nach, formen die dazugehörigen Bilder.

MusikBlog: Ein recht eigensinniges Bild hingegen formt folgende Aussage deinerseits: „Ich möchte nicht mehr in einer Band spielen.“ …

James: Nun ja, ich kann mich nicht recht erinnern, das jemals so krass ausgedrückt zu haben und denke, dass meine Aussage sehr harsch vermittelt wurde. Die damalige Bandphase ging ganz einfach zu Ende. Für mich war die Zeit recht schön, aber nun ist ein Abschnitt gekommen, etwas anderes zu machen. Ich habe entdeckt, dass mein Gitarrenspiel auch für sich allein funktionieren kann. Es passiert darin genug und muss nicht durch weitere Elemente hervorgehoben werden. Die Sache war also nicht ganz so dramatisch. Ich kann mit anderen Leuten zusammenarbeiten, ehrlich!

MusikBlog: Und hast du jemals die Erfahrung gemacht, dass Leute deine Musik abgetan haben, da sie keine hohen virtuosen Ansprüche in Form mordsschneller Riffs stellt, sondern vielmehr auf ruhigen Loops basiert?

James: Ah, ja. Die beste Antwort darauf wäre wohl folgende: Nicht, dass ich mich als Bluesmusiker verstünde, aber die Art und Weise, mit welcher dieser spielt, die wird vom Gefühl getragen. Du kannst eine Note spielen und jemanden zum Weinen bringen – mittels der Interpretation, wie du spielst, singst, oder was auch immer. Ich ziehe, ohne ein Bluesmusiker zu sein, diesen Geist daraus. Ich schaue, wie ich mit minimalen Mitteln solche Stimmungen und Räume schaffen kann. Es ist natürlich eine Herausforderung, das mit dem absoluten Herunterbrechen auf das Allernötigste zu schaffen. Nichtsdestotrotz soll mein Schaffen eine Kraft ausstrahlen, sinnträchtig und bewegend sein. Denn: Im Fundament geht es bei der Musik um die Kommunikation. Und Noten einfach unheimlich schnell zu spielen – ich bin mir nicht sicher, inwiefern das Kommunikation darstellt.

MusikBlog: Wie würdest du denn die Reaktionen deines Publikums auf dieses Schaffen stattdessen einschätzen?

James: Oh, das ist schwer, denn die sind natürlich recht breit gefächert. Ich habe festgestellt, dass Leute ursprünglich etwas anderes erwartet haben, wenn sie meine Musik hören. Denn es handelt sich um ein Konzeptalbum – und manchmal scheinen die Hörer bei so etwas Berührungsängste zu haben. Und das Album, zumindest hoffe ich das, bietet eine Art Freizügigkeit, die herausreicht und das Ganze nicht nur zu einem Experiment für mich macht. Aber wenn du das Publikum ansprichst: Ich denke, die Herrschaften sind recht empfänglich, was wirklich großartig ist.

MusikBlog: Du teilst diesen intimen Moment entsprechend gerne hautnah mit einem Publikum.

James: Ich genieße das wirklich und bereite mich emsig auf live-Auftritte vor. Es ist vor allem gut, unmittelbar Feedback zu bekommen. Du hast Leute direkt vor dir, welche jeweils auf die Musik reagieren, wie auch immer das ausfallen mag. Ich denke, das ist für jeden wichtig. Im Speziellen für Künstler ohne Band, da du versuchen musst, auf Leute zuzugehen, um Reaktionen aus der Isolation heraus zu bekommen. Der Raum, die Interaktion – das ist alles eine sehr gesunde Sache.

MusikBlog: Und wenn sich die Hörer privat deinem Schaffen widmen, in welchen Situationen würdest du sie da gerne wissen?

James: Ich denke, dass viele Leute diese Musik genießen, wenn sie sich der Situation hingeben, die für sie vollkommen ist. Wie auch immer sich diese in ihrem Leben gestalten mag. Diese Vorstellung mag ich sehr. Und wenn sie das auf iPhones hören – das ist okay. Ich selber bin ein großer Vinyl-Fan. Ich liebe es, einfach Zuhause zu sein und eine Platte aufzulegen – und mich von ihr mitnehmen zu lassen. Das ist zumindest mein Szenario einer perfekten Hörsituation, mit der ich sicherlich nicht alleine dastehe.

MusikBlog: Das böte sich für dich nun an, kommst du doch gerade aus deinem Atelier. Inwieweit greifen für dich die visuelle Kunst und Musik ineinander?

James: Für mich ist beides gleichrangig. Ich denke, dass beide Künste verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bieten. Ich bin glücklich, die Fähigkeit zu besitzen, visuelle Darstellungen zum Album zu entwickeln und diese mit an die Hand zu geben. Dabei sollen natürlich auch dem Hörer Freiheiten zur eigenen Vorstellung eingeräumt werden. Doch ich denke, dass die visuelle Kunst der Musik zur Hand gehen kann – und andersherum. Ich hoffe, das noch lange in dieser Art so ausführen zu können und bin wirklich glücklich und dankbar, dass die Arbeiten im Atelier mein Tagesinhalt an einem Montag sind, an dem andere Menschen ganz andere Dinge machen müssen.

MusikBlog: Kannst du dir denn überhaupt vorstellen, fein am Bürotisch zu sitzen, umgeben von einem Haufen Routinearbeit von 10-18 Uhr?

James: Nun ja, das muss wirklich sehr hart sein. Natürlich habe ich ab und an in meinem Leben solche Tätigkeiten ausgeführt. Jedoch immer recht fein wenig. Ich war halt wirklich in der glücklichen Lage, gewisse Entscheidungen treffen zu können, die mich in eine andere Richtung lenkten. Ich hoffe, du musst das Szenario nicht machen?

MusikBlog: Tatsächlich nicht, nein. Allerdings haben deine Arbeiten dich ebenfalls ab und an nach Deutschland gebracht – etwa nach Frankfurt, Berlin oder Bayern, wo du deine Alben aufgenommen hast.

James: Ja! Ich war zuletzt in Bayern. Das war wirklich fantastisch! Sehr inspirierend. Ich hatte meine komplette Ruhe, konnte zwischendurch durch die fantastische Landschaft wandern und habe eine sehr dankbare Aufnahmezeit dort verbracht. Mein vorheriges Album habe ich in Berlin aufgenommen – was fantastisch war, jedoch ein komplett anderes Umfeld. In Bayern konnte ich selbstreflektierter Arbeiten – viel anderes passierte ja nicht um mich herum. Ich bekam Raum, und damit bekam auch die Aufnahme Raum.

MusikBlog: Hast du von deiner ersten Platte etwas mit in die zweite genommen?

James: Nun ja, ich habe mich weiterhin dafür entschieden, allein mit der Gitarre zu arbeiten – eine pragmatische Entscheidung, denn das ist es, was ich nun schon seit ein paar Jahren mache. Ich genieße ganz einfach das Reduzierte. Ich versuche wie schon zuvor, sinnbildende und geladene Musik mit nur einem Instrument zu machen. Was kann ich also mit diesem einen Instrument anstellen, welche Sounds diesem entlocken? Das gestaltet sich mal unkonventionell, mal umso konventioneller. Ich entschied mich dafür, dieses Album dem frühen Tourismus zu widmen. Ich las Bücher über das Thema und begann mich dafür zu interessieren – wie schon zu früheren Zeiten die Menschen das Sightseeing für sich entdeckten, welche Routen sie einschlugen. Dieser bin ich einfach gefolgt.

MusikBlog: Würdest du dich entsprechend als nostalgisch bezeichnen?

James: Das ist genau eine Frage, die ich mir erst gestern gestellt habe. Ich habe mir im Kino einen Film angeschaut, welcher London in den 60er Jahren zeigte. Ich habe nie in den 60ern gelebt, ich kenne die 70er so gut wie gar nicht. Und doch schauen wir immer zurück und finden die Zeiten faszinierend. Klar, ein paar Dinge waren zu damaliger Zeit einfach großartig. Allerdings hatten die Zeiten auch ihre schlechten Seiten und wir können uns glücklich schätzen, im Hier und Jetzt zu leben. Ich liebe die gegenwärtige Welt. Davon handeln auch meine Werke: Im Hier und Jetzt zu stehen, sich allerdings auch das Träumen zu erlauben – sei es auch rückblickend, die Geschichte oder Mystik betreffend.

MusikBlog: Du scheinst wohl ein recht beobachtungsfreudiger, sensibler Genosse zu sein.

James: Ja, das mag stimmen. Als ich beispielsweise zur Kunstschule gegangen bin, habe ich einige Dinge als etwas Besonderes wahrgenommen, ein kleines Arrangement in der Ecke oder so. Ich bemerke Gegebenheiten, werde auf sie und ihre Eingebundenheit zu anderen Sachverhalten aufmerksam, welche manch anderer nicht unbedingt als so faszinierend wahrnehmen würde. Ich bin diese Art Person, ja.

MusikBlog: Schlussendlich noch eine Frage zur Reise, auf die du uns mitnimmst: Bist du Typ Backpacker, Van-Abenteurer oder gesitteter Hotelbewohner?

James: (lacht) Ich denke, ich war in verschiedenen Phasen meines Lebens jeweils alles von alledem. Es kommt auf die Situation an. Wenn ich etwa Shows für „Land Observations“ spiele, dann fällt schon einiges an Gepäck an. Als ich jünger war und meinen Abschluss in der Tasche hatte, habe ich auch eine Interrail-Tour durch Europa unternommen. Das spielte natürlich mit in das Album rein. In jedem Fall war ich zu jener Zeit Typ Backpacker, ja.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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