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Willis Earl Beal – Experiments In Time

Willis Earl Beal, das ist eine Type. Seine Musik, die ist eine Perle. Gemacht aus Eigenbrötlertum, ein wenig Autismus, einer beneidenswerten Beobachtungsgabe für die wichtigen Dinge im Leben eines großen Geistes, sowie einem neugewonnen Händchen für wabernde Soundschichten, präsentiert er nun „Experiments In Time“.

Wer das viel gelobte und ebenso gehasste Schaffen des Melancholie-Künstlers kennt, weiß auch um die Streitigkeiten, welche der Herr wie Schmeißfliegen anzieht. Eine um Willis gesponnene medienwirksame Rebellengeschichte reicht von der Entlassung aus dem Armeedienst über Obdachlosigkeit bis hin zu Glanzzeiten unter den Fittichen XL Recordings- während derer er für Prügeleien an den Pranger gestellt wurde.

Doch ein Freigeist wäre nicht eben jener, würde er sich den Zwängen eines Labels unterstellen. Kurzerhand nimmt der Sänger seine Beine nebst neu gewonnenen Fähigkeiten, sowie alten und taufrischen Songideen in die Hand und verlässt das Label. Frei von jeglichen Konventionen entstand daraus „Experiments In Time“.

Darauf ist Willis alles, was er gelernt hat, sein zu können: Angefangen mit – nach eigenen Aussagen – hochwertigem Geschmack, aber minderwertigen Produktionsfähigkeiten, ist nun die Essenz eines Musikers geschaffen, welche sich den Vergleichen zu anderen Künstlern entzieht. Diese handelt von einem Blick in die Ferne bei gleichzeitigem Schätzen der Sesshaftigkeit. Von den großen Dingen, nur um die kleinen wertzuschätzen. Von minderer Soundqualität, welche eine Kunst impliziert. Ein Widerspruch?

Haarscharf bekommt der Sänger die Kurve, kratzt knapp vorbei an Übersteuerung und Laientum, geht dabei auf Kurs in Richtung Zauber-Sound. Sein steter Begleiter: Ein samtiges Vibrato, das Tiefenentspannung auslöst und Sahne flocken lässt. In jedem Song ist dabei eine gehörige Portion Willis mittels Synthesizer eingeflochten. Kein Beat hält dabei die wabernden Soundschichten in Zaum, vielmehr entfalten diese sich frei und gleiten sperrigen Strukturzwängen davon. Hier und da halten spärliche Gitarrenpfade Einzug („Traveling Eyes“) oder finden gleichbleibende Akkordeinlagerungen ihre mehrmalige Verwendung – man vergleiche nur die Übereinstimmung derer in einer Vielzahl der Songs.

Knackige Schmankerl, wie etwa noch bei der früheren Kollaboration mit Cat Power gegeben, werden sehnsüchtig, jedoch vergebens gesucht. Stattdessen ist die stark in den Vordergrund gemischte Stimme Beals das Hauptcharakteristikum des Werkes. Mal anklagend, mal verständnisvoll („Questions“), philosophierend oder detailverliebt („At The Airport“) vermittelt sie die Wirren der Gedanken eines sensiblen Künstlers.

Vollgespickt mit Samples und knisterndem Raum gibt es ein abschließendes Wohnzimmer-Ständchen mit dem Titel „Now Is Gone“. Zurück bleibt das Gefühl eines verbindlichen Hörerlebnisses. Denn: Lässt man sich von dem Sog melancholischer Texte und hypnotischer Klänge mitziehen, scheint jegliche Rationalität bei aller Realität fern.

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