Was für ein Gedränge. Kaum war man kurz vor Beginn der Show durch die Tür des Bi Nuu gestolpert und die Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, tat man gut daran, sich einen Schlachtplan zurecht zu legen, um überhaupt noch ansatzweise einen Blick auf die Bühne erhaschen zu können. Die letzten Konzerte der Kanadier Stars hatten noch in etwas größeren Clubs stattgefunden, aber wer am Abend auf viel Gemütlichkeit hoffte, der wurde sehr wahrscheinlich – eng von seinen Nachbarn umzingelt – schnell davon überzeugt, dass die Bewegungsfreiheit und etwaige Tanzambitionen nur stark eingeschränkt möglich sein würden.

Auch wenn das im Herbst veröffentlichte Album „No One Is Lost“ allgemein für vergleichsweise wenig Furore sorgte, trübte das scheinbar nicht die Vorfreude auf ein musikalisches Wiedersehen mit den Indie-Pop-Veteranen, die sich spürbar ins Zeug legten, um vor ausverkauftem Haus mit einer Bestnote für ihren Einsatz belohnt zu werden. Live als Sextett unterwegs, übte die Band die kollektive Verausgabung, ohne sich dabei vom nicht immer perfekten Sound beirren zu lassen, der stellenweise für leichten Unmut auf Bandseite sorgte.

Torquil Campbell und Amy Millan schmiegten sich beim Gesang lieber vertraut aneinander und untermalten ihre Texte häufig mit passenden Gesten. Oftmals sogar nur einen Hauch vom Publikum entfernt, das die ihnen vorgelebte Herzenswärme nur allzu gerne erwiderte. Während die Band ihre Blicke immer wieder fokussiert auf den Zuschauerraum richtete, schallte ihr das verbale Echo aus vielen Fan-Kehlen entgegen. Erstaunlich textsicher demonstrierte das Publikum seine Zuneigung und erntete damit von Sängerin und Gitarristin Amy Millan das Prädikat „wunderschön“, welches sie sich kurz zuvor noch von einem Fan vom Englischen ins Deutsche übersetzen ließ.

Nur für einen Moment lang herrschte Unbehagen zwischen Torquil Campbell und einem Fotografen, der ihm mit seiner Linse seiner Meinung nach allzu nah kam und gleich eine physische Abmahnung erhielt, in dem sein Objektiv durch die Hände Campbells bestimmt, aber vorsichtig nach unten gedrückt wurde. Wenig später folgte zwar umgehend dessen Entschuldigung und ein Ausdruck seiner Wertschätzung für die allgemeine Arbeit der Fotografen im Raum, doch der Denkzettel war angekommen.

Im folgenden Set blieb die Interaktion mit den Anwesenden im Club herzlich und hatte fast schon einen familiären Charakter. Während Stars die Fans immerfort mit Songs aus ihrem beachtlichen Repertoire fütterten, brachte Campbell wiederholt seine Liebe zur Stadt und seine Dankbarkeit für sein Musikerdasein zum Ausdruck. Dabei wirkte er ein wenig überrascht über die andauernde Unterstützung der Berliner, die laut seiner Aussage tagtäglich von so viel guter Kunst und Musik umgeben sind.

Allerdings sieht man nicht jeden Tag eine Band, deren Schlagzeuger mit seiner großen Latzhose, dem Cap auf dem Kopf und mit Sonnenbrille ausgestattet wie eine moderne Variante von Super Mario wirkt. Minus des Schnurrbarts und zum Glück mit spielerisch unterschiedlichen Ambitionen. Das musikalische Angebot hatte an diesem Abend gegenüber der Optik eindeutig die Nase vorne.

Mit „I Don’t Want Your Body“, „Take Me To The Riot“, „Your Ex-Lover Is Dead“ oder auch dem ungemein poppigen Titeltrack „No One Is Lost“ der letzten Platte spielten sich Stars von einem Crowd-Pleaser zum nächsten und kehrten anschließend gleich zwei Mal auf die Bühne zurück, um der lautstarken Nachfrage nach weiteren Zugaben gerecht zu werden. Wer am Ende im Licht der Diskokugel nicht die Arme über den Kopf schwenkte oder angesichts der schlichten Interpretation von „My Favourite Book“ heimlich seufzte, der kämpfte wohl mit der Sauerstoffzufuhr oder dem anhaltenden Platzmangel. The night starts here, auch unter erschwerten Bedingungen.

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