Neues Label bedeutet nicht automatisch neues Album und ist für Die Goldenen Zitronen auch kein Anlass für eine Best-off Platte. Nach der Veröffentlichung von „Aussage Gegen Aussage“ vor dreizehn Jahren, wo auf 2 LPs eine Auswahl vom Fun-Punk Frühwerk bis zu Stücken vom grandiosen „Schafott Zum Fahrstuhl“ enthalten war, gibt es auf „Flogging A Dead Frog“ zehn Songs der danach erschienenen Alben „Lenin“, „Die Entstehung Der Nacht“ und „Who`s Bad“, wobei diese nicht in der gewohnten Diskurs-Deutsch Version, sondern auf Englisch oder Instrumental aufgenommen wurden.
Das liegt nicht daran, dass es Schorsch Kamerun und Kollegen angesichts der innen- und außenpolitischer Zustände die Sprache verschlagen hat, sondern daran, dass bei den Musikern aus Hamburg im Anschluss an ihre „Für Immer Punk“-Zeit der Fokus auf die gesellschafts- und zeitgeist-kritischen Statements in ihren Texten gerichtet war, was sie nie daran hinderte, allem eine humoreske Seite abzugewinnen.
Dabei geriet etwas außer Acht, dass sie sich musikalisch beständig weiterentwickelten, ihr Sound sich erweiterte. Wenn andere Bands ihrer Epoche seit Jahrzehnten bis auf die dritte Stelle hinter dem Komma identischen Platten produzierten, war das künstlerische Credo der Goldies stets „Breaking New Grounds“. Über die Jahre haben sich so neben die rudimentären Schrammel-Akkorde aus der Urzeit längst technoide Klänge und Kraut-Rock gemischt, gibt es Elektro-Frickelei neben Dub-Ansätzen.
Insofern lässt sich ihre Musik auf „Flogging A Dead Frog“ einmal jenseits der imaginären Podiumsdiskussion entdecken. Die neu arrangierten und neu eingespielten Stücke zeigen eine handwerkliche Präzision, die sonst beim angestrengten Verfolgen der komplizierten Textgefüge in den Hintergrund gerückt war, sowohl auf Platte als auch während ihrer Konzerte, wobei es zu vielen Varianten im Vergleich zum Original kommt.
Das Outro „Wer Hier“ von „Who`s Bad“ macht den Anfang, kommt als hibbeliger Techno-Track namens „Fan Without Fan“ um die Ecke und wird gefolgt von dem Hit „If I Were A Sneaker“, der 2006 veröffentlicht und bereits damals die an die Grenzen Europas brandenden Flüchtlings-Boote thematisierte – verschwindend geringe Zahlen im Vergleich zu heute. Aber nicht nur dieser Song ist hochaktuell, auch die besungenen „Businesspeople 2.1“ zeichnen sich beständig als internationale Brandstifter aus und das Treiben von „The Investor“ brennt nicht nur den Kapitalismus und Gentrifizierungsgegnern weiter auf den Nägeln.
Dazu passt ihr Zitat: „Bloß weil ich friere ist noch lange nicht Winter“, der dazugehörige Song heißt hier „Cause I´m Freezing“, bleibt instrumental und ist im Vergleich zur Vorlage deutlich umarrangiert. “Der Flötist An Den Toren Der Dämmerung“ lässt dann noch wohlige Erinnerungen an die Jethro Tull Einlagen während ihrer Live-Auftritte aufkommen.
Wenn „This I`m Not Telling You“ das Album fiepend und ratternd abschließt, haben Die Goldenen Zitronen auch ganz ohne neuen Song vielleicht den ein oder anderen Blick auf ihr Gesamt-Werk verändert.