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Was war? Was ist? Was kommt? – Bosse im Interview

Bosse kann sich nicht beschweren. Spätestens seit seinem Erfolgsalbum “Kraniche”, das im Frühjahr 2013 die Top 5 der hiesigen Albumcharts enterte, ist der gebürtige Braunschweiger in aller Munde. Indie-Poet, Songwriter der Zukunft, König der leisen Klänge: Die Branche sparte in der Vergangenheit nicht mit Superlativen, wenn es um die musikalischen Künste des 35-jährigen Sängers ging. Nun präsentiert uns Bosse sein sechstes Studioalbum “Engtanz“. Wir verabredeten uns mit dem Songwriter zum Vieraugengespräch und sprachen über anstrengende Zeiten, das Erwachsenwerden und Udo Jürgens.

MusikBlog: Bosse? Aki? Axel? Wie hättest du es gerne?

Bosse: Ach, nenn mich ruhig Axel. Das passt schon.

MusikBlog: Also Axel: Seit “Kraniche” ist viel passiert. Auszeichnungen en masse, goldene Schallplatte, ausverkaufte Tour, Bosse hier, Bosse da: Nach so einer Zeit wieder runterzukommen, sich hinzusetzen, in sich zu gehen und wieder neue Songs zu schreiben – Wie schwer oder auch wie leicht ist dir das gefallen?

Bosse: Ich hatte diesmal vor allem körperlich zu kämpfen. Klar, wir hatten vorher auch immer viel zu tun. Aber nach “Kraniche” waren wir echt zweieinhalb Jahre nahezu durchgehend unterwegs. Das schlaucht schon ganz schön. Wir haben unzählige Konzerte gespielt. Und ich habe jeden Tag über diese zwölf Songs geredet. Da sagt der Körper dann irgendwann: Stop! Jetzt reicht’s aber langsam. Da hatte ich dann auch kurz eine Phase, in der ich gar nichts gemacht habe. Ich war nur daheim mit meiner Familie, bin in Hamburg am Hafen rumgelaufen und habe versucht, den Kopf wieder frei zu bekommen.

MusikBlog: Es soll ja Künstler geben, die sich nach einer solch intensiven Phase erst einmal vier Wochen mit der Playstation in den eigenen vier Wänden verbarrikadieren.

Bosse: Ja, die kenne ich sogar persönlich. (lacht) Aber so ein Typ bin ich nicht. Ich habe eine Frau und eine 10-jährige Tochter. So ein Loch kann ich mir gar nicht leisten. Meine Tochter hätte dafür auch gar kein Verständnis. Das ist aber auch gut so. Ich bin ein Mensch, der nicht viele Pausen braucht. Nach acht oder neun Tagen rumort es dann schon wieder in meinem Kopf. Dann kommt der Musiker in mir wieder zum Vorschein. Und der will machen, machen, machen.

MusikBlog: Für eben jenen Wiedereinstieg in die Materie fliegst du immer nach Umbrien. Warum?

Bosse: Da kann ich einfach fokussiert arbeiten. Das sind dann immer zwei Wochen, in denen wir nur Musik machen. Wir stehen morgens um 8 auf und fallen 17 Stunden später mit den Instrumenten in den Händen glücklich ins Bett.

MusikBlog: Ich dachte immer, in Umbrien gehe es nur um den Feinschliff?

Bosse: Ja, das ist auch so. Da werden die Song-Skizzen, die ich meist schon auf Tour oder daheim angefertigt habe, mit Leben gefüllt. Das braucht aber auch seine Zeit. Und in Umbrien gibt es nichts, das ablenken könnte. Da haben die Eltern von meinem Produzenten zwei Steinhütten zu stehen. Und mehr ist da nicht. Mehr brauche ich aber auch nicht. Das ist das perfekte Umfeld für jemanden wie mich, der irgendwie immer raus muss, wenn er etwas fertigstellen will.

MusikBlog:  Fertiggestellt hast du das Album “Engtanz”. Wer tanzt mit wem? Und wie eng wird es?

Bosse: (lacht) In erster Linie tanze ich mit mir selbst. Und das diesmal auch ziemlich eng. Ich glaube, ich fühle mich erstmals nicht mehr wie ein 22-Jähriger. Dieses Gefühl, und alles, was rund um dieses Gefühl präsent ist, steckt in diesem Album drin. Es geht ums Erwachsenwerden. Es geht aber auch ums Erwachsensein. Ich meine, ich weiß nicht, wie alt ich werde. Aber ich habe so das Gefühl, als wäre so in etwa die Hälfte rum. Und dann blickt man um sich, streckt die Fühler aus und begegnet dabei einem Bewusstsein, dass sich irgendwie verändert hat. Was war? Was ist? Was kommt? Da kommen ganz viele Fragen auf. Es gibt aber auch schon viele Antworten. Schwer zu beschreiben das Ganze. Aber es ist unheimlich viel. Und all das habe ich versucht, ins Album zu stecken.

MusikBlog: Trotz vieler nachdenklicher Passagen klingt das Album ungewohnt positiv. Der Großteil kommt schon sehr beschwingt daher. War das so geplant?

Bosse: Ja, irgendwie schon. Ich hab halt meist schon während des Skizzierens eines Songs eine gewisse Vorstellung vom Endergebnis. Und diesmal ging es musikalisch sehr locker und luftig zur Sache.

MusikBlog: Mit “Krumme Symphonie” hast du diesmal auch eine Kollaboration mit Casper am Start. Wie kam es dazu?

Bosse: Mit Casper verbindet mich eine sehr enge Freundschaft. Wir reden immer viel miteinander, wenn der andere gerade ein neues Projekt aus der Taufe hebt. Das ist immer sehr ergiebig und aufschlussreich. Wir wollten auch schon immer mal was zusammen machen. Also habe ich ihm sechs oder sieben Nummern vorgeschlagen. Und letztlich hat er sich dann für “Krumme Symphonie” entschieden.

MusikBlog: Passt auch perfekt. Du versuchst dich in dem Song ja auch ein bisschen im Sprechgesang.

Bosse: Ja, das stimmt. (lacht) Ich denke auch, dass es die perfekte Wahl war. Ich mag es eigentlich nicht so, wenn ein Duett-Song in zwei Hälften geteilt wird. Das ist bei “Krumme Symphonie” irgendwie so gar nicht der Fall. Klar, Casper rappt schon um Längen besser. Aber ich “singe” schon ganz gut dagegen, finde ich. (lacht) Es passt halt einfach.

MusikBlog: Die Platte ist im Kasten. Danach geht’s wieder auf große Tour. Schon Pläne für 2017? Ich hörte etwas von einem Udo Jürgens-Album. Ist da was dran?

Bosse: Nein, nicht wirklich. Ich wurde nur während meiner Akustik-Tour das eine oder andere Mal mit dem Schaffen von Udo Jürgens konfrontiert. Daraufhin habe ich dann gesagt: Vielleicht mache ich irgendwann einmal etwas in der Art. Aber das war eher scherzhaft gemeint. Ich muss aber sagen, dass ich seine Musik sehr schätze. Und der Mensch dahinter war eh unantastbar. Wir trafen uns mal Backstage bei einer Preisverleihung. Diese Begegnung hat mich ziemlich beeindruckt. Ein unheimlich tiefgründiger Mensch mit einer unfassbaren Aura.

MusikBlog: Ich freue mich schon mein ganzes Leben lang auf meinen 66. Geburtstag.

Bosse: (lacht) Da bist du wahrscheinlich nicht der Einzige.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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