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Es geht dabei gar nicht mehr um Ablehnung – Parquet Courts im Interview

Gleich zwei vollwertige Alben veröffentlichten Parquet Courts 2014 mit „Sunbathing Animal“ und „Content Nausea“, bei dem sie sich allerdings Parkay Quarts nannten. Anschließend verpasste sich die Indieband aus New York selbst einen Maulkorb, gab 2015 kaum Interviews und überraschte mit der EP „Monastic Living“, auf der sie auf Gesang fast komplett verzichten und stattdessen experimentellen und größtenteils improvisierten Instrumentalrock spielen. Ein mutiger Schritt für eine Band, die neben ihrem hypernervösen Indierock vor allem für Texte voll scharfsinniger Alltagsbeobachtungen und ebenso scharfsinnigem Humor bekannt ist. Auf ihrem neuen Album „Human Performance“ sind diese Texte nun zurück – treten allerdings ein wenig in den Hintergrund. Denn Parquet Courts haben verstärkt an der Musik gefeilt, das Instrumentarium um Pauken, Marimba und allerlei Tasteninstrumente erweitert und die Rastlosigkeit und Energie von „Sunbathing Animal“ gegen eine größere Vielfältigkeit eingetauscht. Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist Andrew Savage über Sprachlosigkeit als befreiende Erfahrung, seine Epilepsie-Erkrankung sowie den Zusammenhang von Musik und Artwork.

MusikBlog: Ihr habt im Jahr 2014 mit „Sunbathing Animal“ und „Content Nausea“ gleich zwei Alben veröffentlicht. Habt ihr euch danach erst mal eine kleine Auszeit vom Schreiben genommen?

Andrew Savage: Schwer zu sagen, wann wir genau angefangen haben, die Songs zu schreiben. Die Arbeit an dem Album zog sich durch das ganze Jahr 2015. Die erste Session für „Human Performance“ fand im Mai 2015 statt, zwei weitere im Verlauf des Sommers und den größten Teil nahmen wir dann im Oktober in New York in den Dreamland Studios auf.

MusikBlog: Dann habt ihr die „Monastic Living“ EP ja veröffentlicht, während ihr an „Human Performance“ gearbeitet habt. Stammen die Songs aus den gleichen Sessions?

Andrew Savage: Ja, die wurden zur gleichen Zeit aufgenommen.

MusikBlog: Grundsätzlich stehen die Songtexte bei Parquet Courts immer im Mittelpunkt. War es befreiend, eine EP mit fast ausschließlich instrumentalen Songs zu veröffentlichen?

Andrew Savage: In gewisser Weise war es tatsächlich befreiend. Ich habe einfach auch nicht immer etwas zu erzählen. Bis auf den ersten Song entstand die komplette EP aus Improvisationen. Als wir anfingen, als Band aufzutreten, haben wir ständig zusammen improvisiert, einfach weil wir noch nicht so viele Songs hatten. Die EP war also in gewisser Weise eine Rückkehr zu den Wurzeln der Band. Es ist ein sehr spezielles Werk, auch für mich persönlich, weil es sich sehr von unseren übrigen Veröffentlichungen unterscheidet. Und ich glaube, dass die EP nicht nur für uns wichtig war, sondern auch den Hörern noch ans Herz wachsen wird, wenn sie sie oft genug gehört haben.

MusikBlog: Die ersten Reaktionen auf die EP im letzten Jahr waren ja eher durchwachsen. Hat euch das überrascht?

Andrew Savage: Es gab wirklich sehr unterschiedliche Meinungen zu der EP. Viele lieben sie, andere mögen sie überhaupt nicht. (lacht) Wirklich überrascht hat uns das aber nicht, da es eine spezielle und irgendwie ja auch extreme Platte ist. Die zentrale Botschaft dieser EP lautet, dass man Geduld haben muss. Dass man nicht alle Dinge im Leben sofort durchschauen und verstehen kann und dass nicht jede Mühe sofort belohnt wird. Die gemischten Reaktionen sind die Konsequenz daraus. Viele wünschten sich eine Parquet-Courts-Platte, die genau so funktioniert wie die übrigen und die sie sofort verstehen. Aber so funktioniert das Leben eben nicht.

MusikBlog: Improvisation gehörte ja schon immer zu eurem musikalischen Repertoire, dennoch habt ihr zuvor nie ein Album oder eine EP auf diese Art aufgenommen. Hat das auch beeinflusst, wie ihr die Songs für „Human Performance“ geschrieben habt?

Andrew Savage: „Monastic Living“ diente uns dazu, in Schwung zu kommen und uns locker zu machen für „Human Performance“. Die Songs für die EP entstanden ja wie gesagt zur gleichen Zeit wie das Album. Es ging darum, herauszufinden, was wir da eigentlich machen und was wir machen wollen.

MusikBlog: Die EP „Tally All The Things That You Broke“ zwischen „Light Up Gold“ und „Sunbathing Animal“ fühlte sich wie ein Übergangswerk an, das die stilistischen Veränderungen schon andeutete.

Andrew Savage: Das stimmt, die EP nahm tatsächlich die Entwicklung zwischen den Alben ein wenig vorweg.

MusikBlog: Dieses Mal habt ihr allerdings eure experimentellste EP vor eurem zugänglichsten und melodischsten Album veröffentlicht. War die EP sozusagen das Ventil, um die abseitigeren Ideen vor „Human Performance“ rauszulassen?

Andrew Savage: Wir wollten diese Ideen nicht loswerden, wir hatten einfach die Möglichkeit, sie zu verwirklichen. Außerdem haben wir zuvor bei einem Major-Label – nämlich Rough Trade – unterschrieben, da erwarten alle, dass man seinen Sound ein wenig angleicht und ein etwas glatteres Album veröffentlicht. Daher gefiel uns die Idee, dass unsere erste Rough-Trade-Veröffentlichung eine Instrumental-Drone-EP werden würde.

MusikBlog: Auf eurem neuen Album habt ihr das Tempo im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen ziemlich gedrosselt. Wie kam es zu dieser weniger nervösen Stimmung?

Andrew Savage: Als wir mit den Aufnahmen fertig waren, hatten wir 32 Songs – ungefähr die Hälfte hat es auf „Human Performance“ geschafft. Im Grunde haben wir einfach die Songs ausgesucht, die am besten zusammen passten und die gegenseitig am meisten voneinander profitierten. Und das waren eben nicht die schnellen Songs, auch wenn ein paar schnelle dabei sind. Aber es stimmt, „Human Performance“ ist im Vergleich zu „Sunbathing Animals“ viel ruhiger. Die beiden Alben bedienen andere Emotionen – „Sunbathing Animal“ drehte sich viel um Wut, „Human Performance“ eher um Trauer. Das beeinflusst natürlich die Musik und damit das Tempo und die Rhythmik.

MusikBlog: Eure Texte schwanken häufig zwischen trockenem Humor und emotionalen Botschaften, bei „Human Performance“ tritt der Humor allerdings etwas in den Hintergrund. Seid ihr ernster geworden?

Andrew Savage: Ich stimme dir zu, dass die Nadel dieses Mal eher in die ernste, emotionale Richtung ausschlägt. Aber das war keine grundsätzliche Entscheidung, so etwas passiert einfach. Bestimmte Ereignisse in meinem Leben, auf die ich nicht näher eingehen möchte, haben dazu geführt, dass ich nur genau diese Songs schreiben konnte und dass sich alles andere unaufrichtig angefühlt hätte. Denn als Autor muss man herausfinden, welches Thema einen beschäftigt, und dann die einfachste und direkteste Art finden, darüber zu reden.

MusikBlog: Du hast über den Albumtitel „Human Performance“ gesagt, dass du dich manchmal wie eine Maschine fühlst, die auf menschliches Verhalten programmiert wurde, aber nicht richtig funktioniert. Kannst du ein Beispiel für eine solche Erfahrung geben?

Andrew Savage: Als ich das gesagt habe, sprach ich über meine Epilepsie, die bei mir schon als Kind festgestellt wurde, sich über die Jahre aber sehr verändert hat. Und so ist auch diese Aussage zu verstehen, dass ich mich je nach Zustand wie eine besser oder schlechter funktionierende Maschine fühle.

MusikBlog: Wolltest du dieses Gefühl auch mit dem Gemälde auf dem Artwork ausdrücken, auf dem ein Mann in eine Pfütze zerfließt?

Andrew Savage: Genau das ist die Intention dahinter.

MusikBlog: Ein anderes Gefühl, das damit wohl zusammenhängt, spielt auf „Human Performance“ ebenfalls eine große Rolle – nämlich die Angst. Beklemmung und Angstzustände prägten ja auch schon „Content Nausea“ vor zwei Jahren.

Andrew Savage: Das stimmt zwar, aber das könnte man ebenso gut über die beiden Alben davor sagen. Angst ist wohl das lyrische Thema schlechthin für Parquet Courts. Wenn auch natürlich nicht das einzige. „Two Dead Cops“ behandelt beispielsweise das Gewaltproblem in den USA und die Gewaltexzesse der Ordnungshüter. „Berlin Got Blurry“ fragt, wie es ist, sich von jemandem verabschieden zu müssen, während man selbst sich am anderen Ende der Welt befindet.

Aber eigentlich ist mir gar nicht so wichtig, wovon unsere Songs im Speziellen handeln, sondern dass sie eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Gefühl repräsentieren. Und dass sie dabei ehrlich sind. Und dass es darin nicht nur um mein Leben geht, sondern dass andere Menschen sich auf einer bestimmten Ebene damit identifizieren können. Sobald das Album draußen ist, interessiert mich nicht mehr, wo ich war und wie ich mich gefühlt habe, als ich diesen Song geschrieben habe, sondern die Frage, ob die Hörer das nachvollziehen können.

MusikBlog: Für die Ankündigung eures Albums habt ihr euch etwas Besonderes einfallen lassen und das Artwork zunächst als Wandgemälde in Brooklyn veröffentlicht. Kann man das auch als Absage an die üblichen Social-Media-Kampagnen rund um ein Release lesen?

Andrew Savage: Ich schätze schon, wobei es eigentlich hauptsächlich darum ging, etwas zu machen, was nicht total langweilig ist. Wir hatten dieses Mal die Ressourcen, ein Gemälde anfertigen zu lassen, und für mich als Künstler war es natürlich auch reizvoll, mein Gemälde dort an der Wand zu sehen. Wir nutzen keine sozialen Medien, sind weder bei Facebook noch bei Twitter, aber es geht dabei gar nicht mehr um Ablehnung. Wir nutzen es nicht, weil wir es nicht brauchen. Wir haben es nie genutzt und denken mittlerweile darüber gar nicht mehr nach.

MusikBlog: Wenn du das Artwork für Parquet-Courts-Platten entwirfst, wartest du dann, bis das Album fertig ist, um die Stimmung einzufangen?

Andrew Savage: Manchmal entstehen die Musik und das Artwork gleichzeitig, aber meistens entwerfe ich das Cover erst, wenn das Album fertig ist. Schließlich soll das Artwork die Stimmung des Albums widerspiegeln und wenn du noch im Aufnahmeprozess steckst, kann es passieren, dass du das große Ganze noch gar nicht siehst.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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