Mit viel Dreck unter den Nägeln dekonstruieren Weaves mal eben den Indierock. Das Debütalbum der Kanadier ist derart frech, exzentrisch und gleichzeitig umwerfend spröde, dass die Weltherrschaft irgendwann doch noch in die Hände der Slacker fallen könnte.
Zwischen Courtney Barnett und Waxahatchee findet das Quartett noch genügend Platz für eine ordentliche Ladung Wahnsinn. Das Ergebnis sind elf kleine Oden für Unbeugsame, die nur deshalb nicht auseinanderfallen, weil reichlich Kaugummi zwischen den Zeilen klebt.
„You saw a moment and it took you by surprise / I remember turning fifteen and thinking life’s not right / I’m living in a shithole not holding no one’s hands / Hoping for something to take me off this land.” Sängerin Jasmyn Burke intoniert ihre Leck-Mich-Arsch-Attitüde mit einer Narrenfreiheit, wie sie Labelbosse heute nur noch selten vor die Studiotür zu setzen wagen.
Alles fiept und juckt am Pelz von der ersten Sekunde an, führt Hörgewohnheiten ad absurdum und unterstreicht den hörbaren Spass, den die Band am schrulligen, leicht psychedelischen Garage-Sound der Flaming Lips finden.
Dazu trägt im Wesentlichen auch Morgan Waters mit seinen schrägen und clever zeitversetzten Gitarrenmelodien bei. Er spielt seinen Mitstreitern Zach Bines (Bass) und Spencer Cole (Drums) die Bälle nicht nur zu, er lässt sie Slalom tanzen. Bestes Beispiel: „Human“. Zunächst von einer unsäglich simplen, repetitiven Gitarrenfigur geprägt, wird das Stück immer mal wieder und nach knapp drei Minuten endgültig in seine Einzelteile zersetzt. Was danach passiert, ist schlicht genial.
Waters tritt mit beißenden Intervallen, sich an der Kopfhaut kratzend, wieder auf den Plan. Das Schlagzeug setzt kurz darauf mit Rimshots ein, die zwar von der gleichen Sache, jedoch in völlig anderen Sprache berichten, bevor schließlich Gesang und Bass das Tohuwabohu perfektionieren. Schöner kann man nicht aneinander vorbei spielen und dabei trotzdem alles gewinnen.
Aus den anschließend ähnlich aberwitzigen, finalen zehn Sekunden, hätten andere Bands einen ganzen Song geschustert. Weaves hingegen ziehen „Human“ einfach noch mal auf links uns letztlich in Eintracht über die Ziellinie.
Ein weiterer Leckerbissen ist “Two Oceans”. Verschroben rockendes Singer/Songwritertum par excellence. Würden Weaves dieses Stück auf die im Psychrock (mit dem sie durchaus liebäugeln) nicht unübliche Extralänge auswalzen, kämen alle in die Klapsmühle. Bei den knapp vier Minuten reicht stattdessen der kühle Wasserhahn um danach umso klarer zu sehen.
Wer geglaubt hat, mit klassischer Rockformation und Simplizität ließen sich keine Hirn verdrehenden Aha-Effekte mehr erzeugen, den belehren Weaves mit ihrem Debüt auf charmante Weise eines Besseren.