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Black Mountain – Live im Uebel Und Gefährlich, Hamburg

Im April meldeten sich Black Mountain mit ihrem vierten, pragmatisch „IV“ betitelten Album eindrucksvoll aus der Schaffenspause zurück. Drei Monate später ist das kanadische Quintett unterwegs, um seinen auf der neuen Platte zelebrierten trippigen Artrock auch live unter’s Volk zu bringen.

Bedarf dafür gibt es offenbar, denn das Hamburger Uebel & Gefährlich ist fast voll und das Publikum unerwartet gemischt: Dafür, dass sich Black Mountain maßgeblich am Rock der 1970er und 80er orientieren, liegt der Altersschnitt erstaunlich niedrig und die Altrocker in Led-Zeppelin-Shirts mischen sich zu gleichen Teilen mit Studentenpärchen und sogar Schülergrüppchen.

Als Support gehen um 20 Uhr Sick Hyenas auf die Bühne, die mit ihrem Retrorock zumindest vom Jahrzehnt her bestens zur Hauptband passen. Mit zwei Gitarren, Schlagzeug und ohne Bass etwas ungewöhnlich besetzt, orientiert sich das Trio aber eher an zügigem Garagenrock, den höchstens mal eine psychedelisch-verspielte Leadgitarre verziert.

Black Mountain bieten dazu direkt zu Beginn ihres Sets das volle Kontrastprogramm: Der „IV“-Opener „Mothers Of The Sun“ entfaltet sich über acht Minuten nach und nach, stellt Stoner-Riffs und wabernde Klangflächen gegeneinander und lässt dazwischen viel Raum für Amber Webbers atmosphärischen und dabei faszinierend unaffektierten Gesang, zu dem das raue Organ von Gitarrist und Mastermind Stephen McBean einen reizvollen Gegenpol bietet.

„Florian Saucer Attack“, ein Highlight auf „IV“, zieht das Tempo im Anschluss an und zündet mit seinem seltsamen B-Movie-Sci-Fi-Sound auch live problemlos.

Geredet wird hingegen gar nicht: Songansagen sind ebenso Fehlanzeige wie große Begrüßungsworte. Trotzdem wirken Black Mountain nicht arrogant, sondern wie das, was sie vermutlich auch sind: Nette Neu-Hippies, die einfach nur Musik machen wollen.

Vielleicht ist dieser Eindruck auch Auslöser des Zwischenrufs “I want a puppy from you”, der in einer Ruhepause aus dem Publikum kommt. Liegt es an den Klischees über die vielgerühmte kanadische Sanftmut? Der Gedanke, diese Band könne Hundewelpen verschenken, erscheint jedenfalls nicht völlig abwegig.

Zwischen den Songs des neuen Albums, das logischerweise im Fokus steht, schieben Black Mountain immer wieder älteres Material ein: „Rollercoaster“ etwa, der live noch rasanter durch dynamische Finessen jagt, als auf dem Album „Wilderness Heart“.

Oder den Synth-Rocker „Wucan“ vom „In The Future“-Album, den Black Mountain für eine ausgedehnte Jam-Session nutzen – eine Eigenart, die sich auch sonst immer wieder in Songs einschleicht und die Band kollektiv in Muckertrance versinken lässt: Keyboarder Jeremy Schmidt kitzelt dann flirrende Soundwelten aus Mellotron, Orgel und Moog-Synthesizer; Stephen McBean verpasst seiner Gitarre eine Ladung Phaser und Fuzz und Amber Webber wechselt zu Shaker und Schellenkranz.

„You Can Dream“ bekommt so ein großzügig bemessenes Psychedelik-Vorspiel, der letzte Song „Space To Bakersfield“ macht seinem Namen ebenfalls alle Ehre.

Am unterhaltsamsten sind die Auswirkungen dieser akustisch erzeugten Trips vielleicht an Bassist Brad Tuax zu beobachten: Der sieht mit seinem roten Baumarkt-Käppi auf blond-strähnigen Haaren und seiner auf die Nasenspitze geschobenen, braunen Sonnenbrille ohnehin schon aus, als sei er frisch aus einem Donald-Trump-Support-Truck gefallen.

Dazu schmiegt er sich in den Jamsessions mit so ausufernder bis orgasmischer Mimik an Hals und Saiten seines Instruments, dass man sich unvermittelt fragt, ob Hape Kerkeling gerade undercover eine Art Spinal-Tap-Neuauflage dreht.

Tuax hat dann auch die Lacher auf seiner Seite, als die Band zum Zugabenblock wieder auf der Bühne erscheint, nachdem Jeremy Schmidt seine Finger zuvor einige Minuten lang allein für ein ausgedehntes Klangflächenintro in seinen diversen Keyboards vergraben hat: Der Bassist verteilt aus einer Schüssel Erdbeeren an die vorderen Publikumsreihen, bevor er sich wieder vor seine Bassbox begibt und mit dem Rest der Band zum Abschied „(Over And Over) The Chain“ von „IV“ und das majestätische „Don’t Run Our Hearts Around“ vom kürzlich als Re-Relase veröffentlichten Debüt spielt.

Definitiv ein tierfreundlicher Ersatz zum Hundewelpen – und ein schönes Sinnbild für die sympathische Aura dieser Band.

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