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Es war nicht immer einfach – Asgeir im Interview

Wer es im Musikbusiness zu etwas bringen will, der braucht ein dickes Fell. Ohne ausgeprägtes Selbstbewusstsein und leichtem Hang zum Exhibitionismus tut man sich schwer. Ásgeir Trausti Einarsson alias Ásgeir kann davon ein Lied singen. Der Isländer ist alles andere als eine Rampensau. Ásgeir wandelt lieber auf leisen Sohlen.

Schwermut und Melancholie stehen Spalier, wenn der schüchterne Sänger zum Mikrofon greift. Kurz vor dem Gang zur Bühne schüttelt es ihn immer. Ist er dem Ganzen überhaupt gewachsen? Fünf Jahre nach der Veröffentlichung seines Debütalbums “In The Silence” stellen wir jedoch fest: Man kann scheinbar auch im Normalo-Modus die Massen entzücken. Mittlerweile hat die Musikwelt den knuffigen Ásgeir nämlich so richtig lieb gewonnen. Mit seinem neuen Album “Afterglow” will der Barde aus Reykjavík nun den nächsten Schritt gehen. Dafür hat er sein musikalisches Repertoire etwas erweitert. Altbewährtem Folk steht dieser Tage Elektronisches zur Seite. Wir sprachen mit Ásgeir über innere Dämonen, familiäre Hilfe und schicksalhafte Erinnerungen.

MusikBlog: Ásgeir, dieser Tage erscheint dein zweites Studioalbum “Afterglow”. Du sitzt gerade in Paris und rührst die Werbetrommel. Wie geht’s dir dabei?

Ásgeir: Es fällt mir immer leichter. Als mein erstes Album erschien, war ich noch ziemlich überfordert. Plötzlich wollen alle mit mir reden und mich singen hören. Das war alles neu für mich. Heute bin ich entspannter. Ich weiß, wie sich die Rädchen drehen und stelle mich den Dingen.

MusikBlog: Begeistert klingt aber anders.

Ásgeir: Es ist ein Prozess. Natürlich freue ich mich, in Paris zu sein und mit Leuten aus aller Welt über mein neues Album zu sprechen. Aber tief in mir drin bin ich auch immer noch ich selbst. Und ich bin nun mal kein Mensch, der den Rummel braucht, um glücklich zu sein.

MusikBlog: Hast du dann nicht manchmal das Gefühl, dich eventuell für den falschen Beruf entschieden zu haben?

Ásgeir: Nein. Wie gesagt: Zu Beginn war es schwer für mich. Aber jetzt versuche ich, das alles zu genießen. Und es gelingt mir immer mehr.

MusikBlog: Was macht dir denn innerhalb des großen Ganzen noch am meisten zu schaffen?

Ásgeir: Das Live-Spielen ist immer noch eine große Herausforderung für mich.

MusikBlog: Dann waren die vergangenen vier Jahre kein Zuckerschlecken, oder?

Ásgeir: (lacht) Es war nicht immer einfach. Meist verfliegt die Nervosität aber sofort, sobald ich zwei Songs gespielt habe. Dann ist es wie ein Rausch. Ich will dann auch nicht mehr weg von der Bühne. Wenn der Sound passt, und die Leute lächeln, dann ist alles gut. Ein tolles Gefühl. Aber am nächsten Tag geht dann oftmals alles wieder von vorne los. Das kostet Überwindung. Aber es zahlt sich auch immer aus. Das hilft mir ungemein innerhalb meiner Entwicklung.

MusikBlog: Wer oder was hilft dir noch?

Ásgeir: Konstanz bringt mich weiter. Als mein Debütalbum in Island erschien, war ich in anderen Ländern noch völlig unbekannt. Das Album wurde dann in den Folgejahren in immer mehr Ländern veröffentlicht. Ich war dann viel unterwegs, hab viel im Ausland gespielt und Erfahrungen gesammelt.

MusikBlog: War das viele Reisen auch ein Grund dafür, dass dein neues Album erst jetzt fertig geworden ist?

Ásgeir: Ja, auf jeden Fall. Ich schreibe zwar auch auf Tour. Aber am liebsten beschäftige ich mich mit neuen Songs, wenn um mich herum Ruhe herrscht. Das war in den letzten Jahren nicht oft der Fall.

MusikBlog: Jetzt ist es ja endlich am Start. Einmal tief durchatmen?

Ásgeir: (lacht) Dafür habe ich leider keine Zeit. Nach der Platte kommt die Tour. Es ist immer was los.

MusikBlog: Das neue Album hat mehr Elektronik an Bord.

Ásgeir: Ja, das hat sich irgendwie so entwickelt. Ich mag es, wenn man traditionelle Strukturen mit Zeitgemäßem konfrontiert. Das ist immer ein spannender Prozess.

MusikBlog: Neben der Musik interessieren sich die Leute natürlich auch für die Texte. Deine stammten in der Vergangenheit zumeist aus der Feder deines Vaters. Hat er dir auch diesmal unter die Arme gegriffen?

Ásgeir: Ja, das hat er. Ich fand das anfangs auch ein bisschen seltsam. Aber mittlerweile gehören sein Input und seine Mitarbeit einfach dazu. Er hat ein tolles Gespür für Texte. Und mir ist es wichtig, jemanden mit im Boot zu haben, dem ich vollends vertraue.

MusikBlog: Du warst vor deiner Zeit als Musiker im Bereich Sportsegeln unterwegs. Was hat letztlich den Ausschlag für die Karriere als Musiker gegeben?

Ásgeir: Das war Schicksal.

MusikBlog: Inwiefern?

Ásgeir: Ich habe mir damals eine schwere Verletzung zugezogen, die all meine Profisportler-Träume zerplatzen ließ. Die Musik hat mir dabei geholfen, wieder nach vorne zu blicken. Und irgendwann wurde dann mehr draus.

MusikBlog: Und jetzt sitzt du in Paris und stellst dein zweites Studioalbum vor. Man wünscht ja niemandem etwas Schlechtes, aber…

Ásgeir: (lacht) So sehe ich es auch. Heute bin ich glücklich darüber, auch wenn ich sehr gerne Sportler war. Aber das, was ich mit der Musik bisher erreicht habe, ist einfach unglaublich. Ich bin total happy und zufrieden, so wie es ist.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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