Emily Haines – die zeitlose Schönheit als Sängerin und Keyboarderin der kanadischen Indie-Popper Metric und Teilzeitmuse von Broken Social Scene – sie scheint schon immer ein bisschen langsamer zu altern, als es die biologische Uhr für den allgemeinen Durchschnitt vorgesehen hat.
Das zweite Soloalbum nach „Knives Don’t Have Your Back“ und ihr erstes seit elf Jahren klingt wohl auch deshalb leichter und zephirischer als alles, was man sonst von Musikerinnen Mitte 40 gewohnt ist.
Wo andere mit einer unbedarft-entrückten Schwerelosigkeit schnell von der Gravitation geerdet werden, entschwebt Haines bescheiden und stilsicher allen irdischen Turbulenzen, um sie dann aus der Vogelperspektive zu betrachten. So sieht also Pop von oben aus.
In Hallschleifen umkreist sie Erinnerungen aus ihrer Teenagerzeit („Minefield Of Memory“, „Wounded“), dekonstruiert das Streben nach Erfolg („Fatal Gift“) und bemüht sich um einen Feminismus, der nicht in Relation zu Männern steht.
Über weite Strecken regiert nur Piano und Stimme, wie im an Beethovens Mondschein-Sonate angelehnten „Fatal Gift“, das später durch elektronisches Säbelrassen angeschoben wird. Ihre Begleitband The Soft Skeleton macht dem Namen alle Ehre und nimmt sich häufig sanft zurück.
Wer es noch minimalistischer haben will, zupft sich zu „Strangle All Romance“ die Bettdecke zurecht und stiehlt dem Wecker die Batterien. Sich ’nochmal umdrehen‘ wird hier vom Laster zur Lebenskunst.
Selten lässt sich Haines dabei zu griffigen Melodien verleiten. Die Atmosphäre geht immer über das Eindrückliche. Wenn Sie fast ungewollt doch mal einprägsame Chorus-Zeilen passieren lässt, entsteht nichts weniger als sensationell verführerische Popmusik.
„Minefiled Of Memory“ oder „Sirene“ gehören in diese Liga eingängiger Popmusik, die trotzdem nie im Radio laufen wird, weil Haines ganz bewusst die Schnelllebigkeit außen vor lässt.
Dieses Album ist die Antithese zur aktuellen Metric-Platte „Pagans In Vegas“, die sich ohne Gitarren, dafür mit viel Synthetik veräußert. Es ist auch Gegenpol zu ihrem von Verlust geprägten Solodebüt „Knives Don’t Have Your Back“, auf dem der Tod ihres Vaters den Songs eine schwere Last aufbürdet.
„Choir Of The Mind“ ist stattdessen ein Windhauch von Album – um sich verwehen zu lassen, zu Staub zu zerfallen und zu reflektieren. Oder wie Haines es im sakralen Opener „Planats“ mit ihrer erotisch-gehauchten Stimme beschreibt: „People drift away“. So einfach ist das manchmal.