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Menschen sind nicht so unkompliziert, wie sie erscheinen – Nothing But Thieves im Interview

Obwohl Nothing But Thieves mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum großen Anklang fanden, stand die Band aus dem englischen Southend-on-Sea nach der dazugehörigen Tour kurz vor der Auflösung. Aber nur kurz davor. Denn die fünf Schulfreunde haben die Kurve gekriegt und stehen jetzt mit ihrem zweiten Album „Broken Machine“ in den Startlöchern. Wir haben uns mit Sänger Conor Mason getroffen und sprachen über die bisher schwierigste Phase der Band, wie sie es mit dem neuen Album besser machen wollen und ob es in absehbarer Zeit doch noch eine Auszeit geben wird.

Conor Mason: Was für ein wunderbar sonniger Tag für ein Picknick im Park, nicht wahr?

MusikBlog: Oh, und ich störe mit einem Interview…

Conor Mason: Das tust du tatsächlich! (lacht) Nein, kleiner Scherz. Wir können den Tag auch gemeinsam genießen und vielleicht in alten Erinnerungen schwelgen.

MusikBlog: Gutes Stichwort – Anfangstage. Wurdet ihr als Newcomerband oft mit anderen verglichen?

Conor Mason: Permanent und immer noch! (lacht) Ich glaube, es ist heutzutage einfach so, dass Leute sofort Vergleiche ziehen, sobald du neu bist. Für mich war es aber immer nur wichtig, meine Musik zu machen. Wenn es dabei Überschneidungen gibt, dann ist das so und vielleicht auch etwas witzig. Es gab nie eine spezielle Gleichsetzung, die mich groß gestört hat. Wir sind aber trotzdem eine Band, die originell sein möchte. Keiner geht in die Welt hinaus und möchte „der Zweite“ sein. Es ist gut, anders zu sein.

MusikBlog: Also einen originellen Namen habt ihr auf jeden Fall.

Conor Mason: Weißt du was wir sonst geworden wären? Number One Elephant! Grausam, oder? Lass uns das schnell wieder vergessen. (lacht) Uns fiel die Namensfindung schon etwas schwer. Eine Band zu benennen, ist wie deine Freunde zu betiteln, alles etwas seltsam. Aber es musste nun mal getan werden. Nothing But Thieves war aus einem Songtext und – ehrlich gesagt – das beste aus unserer Liste. Mittlerweile habe ich mich ganz gut damit angefreundet. Wäre schlimm, wenn wir unseren Namen nicht mögen würden.

MusikBlog:  Fünf Freunde – eine Band?

Conor Mason: Auf jeden Fall. Drei von uns waren früher schon zusammen in einer Band, aktuell gibt es für uns nichts anderes als NBT. Wir sind relativ neu und müssen erst einmal zu dem Punkt kommen, an dem wir eine Pause voneinander brauchen. (lacht) Die einzige Ausnahme ist Dom (Dominic Craik), er produziert nebenbei noch Gitarrendemos für andere Bands und er ist richtig gut. Vielleicht ist es in ein bis zwei Jahren wirklich so, dass wir alle unsere Nebenprojekte brauchen, um als NBT wieder zueinander zu finden. Aber an den Punkt müssen wir erst noch kommen.

MusikBlog: Du redest von ein, zwei Jahren. Dabei standet ihr schon einmal vor der Auflösung.

Conor Mason: Das stimmt. Aber nicht, weil wir die Nase voll voneinander hatten, sondern wegen meiner Gesundheit. Ich war in keiner guten psychischen Verfassung und bin auf Tour sogar zusammengebrochen. Es war aber nicht nur wegen der Band. Ich glaube, es lag an den vielen Dingen, die zu der Zeit in meinem Leben passierten. Und die Tour mit der Band und der Schlafmangel waren dann die Spitze. Ich habe monatelang nicht viel geschlafen. Wenn ich heute daran denke, werde ich etwas wütend. Obwohl es mir nicht gut ging, habe ich es immer weiter nach hinten geschoben, bis ich dann richtig krank wurde.

MusikBlog: Aber immerhin hast du dann zum richtigen Zeitpunkt die Handbremse gezogen.

Conor Mason: Sobald wir von der Tour zurück waren, habe ich gesagt “Ich bin krank. Ich bin raus!” Es war auf jeden Fall eine Krisenzeit für uns. Aber es war toll, wie mich alle unterstützt und mir durch die schwierige Zeit geholfen haben. Ich glaube, nicht nur ich, sondern auch die Jungs haben durch dieses Erlebnis gelernt, gesünder auf Tour zu sein und wie wichtig die psychische Gesundheit ist.

MusikBlog: Aber mal ehrlich – es steht ein neues Album inklusive Tour vor der Tür. Habt ihr nicht doch ein wenig Sorge, dass sich die Ereignisse wiederholen könnten?

Conor Mason: Du bringst es absolut auf den Punkt, wir sind richtig nervös. Aber ich habe meine Hausaufgaben gemacht! (lacht) Ich habe mich vorbereitet und gelernt, dass eine mentale Routine hilfreich ist. Wenn ich darauf achte, nach dem Aufstehen oder mit der Band immer die gleichen Sachen zu tun, dann sind es diese kleinen Dinge, die unglaublich helfen. Natürlich macht man auf Tour viel, viel mehr als sonst, aber es ist wichtig, eine Basis zu schaffen. Ich gehe auch nicht mehr so oft aus wie die Jungs und versuche, mein Hirn geistig so fit wie möglich zu halten.

Es ist harte Arbeit. Beispielsweise bei der Tour in Amerika. Natürlich kommt man an viele schöne Orte, aber eben auch an Orte, die nicht so toll sind. Man darf dann nicht den Verstand verlieren, sondern muss fokussiert bleiben. Ich habe mich diesmal vorbereitet und gelernt zu kommunizieren, mit der Band und mit meiner Freundin. Eine Tour steht an, daran wird sich nichts ändern! (lacht)

MusikBlog: Ist der Albumtitel „Broken Machine” eine Anspielung auf die Story, die du eben erzählt hast? Bist du die „gebrochene Maschine“?

Conor Mason: „Broken Machine“ ist definitiv super persönlich. Die Platte erzählt von Dingen, die wir alle selbst erlebt haben. Beim Titel haben wir uns an unser Artwork gehalten. Es steht für Kintsugi, eine japanische Kunstform, mit der Keramik repariert wird. Man nimmt etwas Gebrochenes und setzt es mit Hilfe von flüssigem Gold wieder zusammen. Danach ist es noch wertvoller und schöner.

Bei der Titelfindung haben wir über meine vergangene geistige Verfassung und über allgemeine psychische Gesundheit geredet und wie wichtig es ist, allgemein über Dinge zu sprechen. Aus diesem Gespräch heraus haben wir „Broken Machine“ als eine der ersten Songs für das Album geschrieben und es wurde die Basis für alle folgenden Lieder. Wir sprechen Dinge an, die von außen leicht erscheinen, es in Wirklichkeit aber nicht sind.

Unter der Fassade ist alles ge- und zerbrochen – Politik, Liebe, psychische Verfassung. Menschen sind nicht so unkompliziert, wie sie erscheinen. Liebe ist nicht so simpel, wie sie wirkt. Religion ist nicht so einfach, wie man denkt. Aber wenn man das Gebrochene nimmt, und es wieder zusammensetzt, dann kann etwas Besseres daraus werden. Und das ist, wofür unser Album steht.

MusikBlog: Politik. Es gibt Bands, die absichtlich nicht über dieses Thema singen, um dem zu entgehen. Warum konzentriert ihr euch darauf?

Conor Mason: Es ist nicht das Hauptthema des ganzen Albums, aber es findet auf jeden Fall seinen Platz. Joe hat es, glaube ich, einmal ganz gut beschrieben: „Man kann in der heutigen Zeit keine Band sein, ohne über Trump, Brexit oder die aktuelle Weltsituation zu sprechen.“ – und ich finde, er hat recht. Letztes Jahr war furchtbar und genau genommen, ist in diesem Jahr nicht anders. Wenn man solche Sachen hört, kann man einfach nicht weghören oder nicht wütend sein. Ich habe irgendwann sogar angefangen, alle diese Dinge niederzuschreiben, weil sie mich so ärgern. Man kann nicht kein Teil davon sein. In Songs wie „Live Like Animals“ bringen wir unsere Wut richtig zum Ausdruck.

MusikBlog: Auch in eurer ersten Single „Amsterdam” hört man es recht gut raus.

Conor Mason: Das ist ein gutes Beispiel! Wir singen darüber, wie wütend wir sind, dass wir nicht anders sein können. Aber wir erwähnen Amsterdam, eine Stadt, in der die meisten Leute glücklich zu sein scheinen. Genauso haben wir versucht, das Album aufzubauen. Wir nehmen etwas, was uns ärgert und machen es mit etwas Schönem besser.

MusikBlog: Du singst „Those you call a friend, walking through a crowd, then you look around, see there’s no one left.” Ist es nicht eher andersrum?

Conor Mason: Ich weiß, was du meinst. Es tauchen urplötzlich Menschen auf, mit denen du vor Jahrzehnten zu tun hattest und die meinen „Oh, lass uns ein Bier zusammen trinken!“ Ich denke mir dann immer „Du wärst jetzt nicht meine erste Wahl gewesen.“ (lacht) Aber es muss nicht immer etwas Schlechtes sein. Manchmal ist das Ganze auch ziemlich lustig.

Wir waren vor kurzem zum Beispiel an einem Ort, der sich Village Green nennt. Ich bin dort die Straße entlanggelaufen, um meine Freundin und Familie zu treffen. Plötzlich sprach mich so eine Dame an und meinte „Oh, mein Sohn war mit dir auf einer Schule. Er hat angefangen, als du gegangen bist!“ Ehrlich? Was hat das denn jetzt bitte mit mir zu tun? (lacht) Aber es war witzig und wir haben uns etwas unterhalten.

Ich bin dankbar für alle Menschen, die unsere Arbeit schätzen und toll finden. Als Künstler bringt man seine Gedanken zu Papier. Es ist toll, wenn Leute sich davon berührt fühlen und sich damit auseinandersetzen können. Natürlich sind nicht alle Situationen so und manche Sachen sind schon ganz schön nervig. Aber darüber muss man dann einfach hinwegsehen.

MusikBlog: Muss man das ganze Album komplett gehört haben, um die Message darin zu verstehen?

Conor Mason: Definitiv. Das ist nämlich der Unterschied zum letzten Album. Ich würde sagen, dass unser Debüt eher eine Art Kollaboration aus all unseren Songs war, von denen wir dachten, die könnten uns helfen, erfolgreich zu werden. „Broken Machine“ hat aber ein Thema und beschreibt eine Zeitspanne, die wir mit speziellen Orten verbinden. Das Album beinhaltet alle Erfahrungen und die Sachen, die wir auf Tour gelernt haben. Wenn wir uns jetzt die Platte anhören, können wir genau zuordnen wann, wo und wie wir einen Song geschrieben haben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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