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Ben Howard – Noonday Dream

Mit „Noonday Dream“ meldet sich Ben Howard mit einem starken und authentisch ausgeglichenen Album zurück, das große Chancen darauf hat, als sein bisher bestes zu gelten. Die Songs verschmelzen hier zu einem sphärischen Sog und zeigen, welche Entwicklung der englische Musiker in den vergangenen Jahren durchlebt hat.

Bereits vier Jahre ist es her, dass Ben Howard seine letzte LP „I Forget Where We Were“ veröffentlichte, die im Vergleich zu seinem unbeschwert heiteren Debüt „Every Kingdom“ (2011) wesentlich düstere Töne anschlug. Während dieser Zeit hat der Singer-Songwriter nicht nur an dem geheimnisvollen Bandprojekt A Blaze Of Feather mitgewirkt, er hat sich auch aufgemacht, die Welt der Poesie zu ergründen.

Obwohl Ben Howard der Meinung ist, dass seine angestrebte Transformation vom Musiker zum Dichter nicht geglückt sei, erzählt sein Album „Noonday Dream“ eine andere Geschichte. Nach etlichen Reisen nach Nicaragua und einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der dortigen Lyrik kehrte Howard nach England zurück und verschanzte sich in einer kleinen Hütte in Cornwall, wo er zusammen mit Mickey Smith die Lyrics für die neue Platte verfasste.

Das Ergebnis dieses kollaborativen Schreibprozesses sind 10 einfühlsame und melodische Songs, die sich vermeintlich banalen Themen auf poetische Weise nähern – wie etwa der Liebe. Dem Titel „A Boat To An Island On The Wall” gelingt es so, Gefühle von Verletzlichkeit, Ungewissheit und Angst einzufangen, die wie dunkle Wolken über einer Beziehung hängen und den Blick in die Zukunft erschweren.

Ben Howard behauptet zwar, dass Dichtung von Melodie zerstört werde, doch gerade der harmonische Klang ist es, der die Poesie von „Noonday Dream“ betont. Seiner dritten Platte gelingt es nicht nur, die konträren Stimmungsbilder der beiden Vorgänger-Alben perfekt miteinander zu kombinieren, auch die Elektrosounds sind hier so wohl orchestriert wie noch nie.

In Kombination mit einem feinen Gitarrenspiel und Howards unverkennbarer Stimme, wie sie sich etwa in „Towing The Line“ finden, verleihen die elektronischen Elemente „Noonday Dream“ einen ausgeglichen atmosphärischen und gleichzeitig pulsierend treibenden Sound.

Die Wellenbewegung, in denen die Melodien vor sich hin treiben, setzen auf gekonnte Weise den Topos der Entschleunigung um, dem sich Ben Howard verschrieben hat: Angefangen bei dem zeitlichen Abstand zu seinem vorherigen Album über die Zurückgezogenheit während des Schreibens bis hin zum Albumtitel – der mittägliche Traum als Symbol maximaler Entschleunigung.

Prominent platziert ist der Aufruf zur Verlangsamung bereits in dem ersten Track „Nica Libres At Dusk“, der mit Zigarren und Cocktails das Bild tropischer Strände heraufbeschwört und zum Träumen einlädt. In dieser Funktion ist der Titel programmatisch für „Noonday Dream“, eine Platte, die in Zeiten konstanter Optimierung und Effizienz als Akt der Rebellion verstanden werden kann.

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