Metric-Fans der ersten Stunde reiben sich dieser Tage die Hände. Der Grund: Die Band um Frontfrau Emily Haines kehrt mit ihrem neuen Album „Art Of Doubt“ zu ihren musikalischen Wurzeln zurück. Statt ausufernder Klänge aus dem Synthie-Bereich präsentieren sich auf dem neuen Studiowerk wieder vermehrt kratzige Gitarrensounds, die im Verbund mit eingängigen Harmonien aus der Pop-Schublade und sphärischen New-Wave-Einschüben hörbar große Spuren hinterlassen. Kurz nach ihrer begeisternden US-Tour im Schlepptau der Smashing Pumpkins und wenige Tage vor der Veröffentlichung von „Art Of Doubt“ trafen wir uns mit Emily Haines zum Interview und sprachen über Live-Herausforderungen, neue Arbeitsweisen und magische Backstage-Momente.
MusikBlog: Emily, ihr wart die vergangenen Wochen in den Staaten mit den Smashing Pumpkins unterwegs. Wie lief’s?
Emily Haines: Es war eine tolle Zeit. Wir haben die letzten Wochen unheimlich genossen. Es war intensiv, anstrengend, aber auch wunderschön und aufregend.
MusikBlog: Testet man neue Songs normalerweise nicht erstmal unter gemütlicheren Umständen an?
Emily Haines: (lacht) Ja, normalerweise macht man das so. Man spielt die Songs dann in ausgewählten, kleinen Clubs vor, das ist eigentlich die Regel. Manchmal macht man aber eine Ausnahme. Diesmal war es einfach so, dass uns Billy Corgan angerufen hat, um uns mitzuteilen, dass er unser neues Album ganz großartig findet, und ob wir nicht Lust hätten, die Pumpkins in den Staaten als Support zu begleiten. Da überlegt man natürlich nicht zweimal.
MusikBlog: Und plötzlich spielt man die neuen Songs statt vor 300 vor 10.000 Leuten.
Emily Haines: Exakt. Manchmal waren es sogar 15.000. Das war schon ziemlich irre und für uns natürlich auch eine Herausforderung.
MusikBlog: Was ist denn generell herausfordernder: ein Publikum für sich zu gewinnen, das eigentlich wegen einer anderen Band da ist oder die eigenen Fans zufrieden zu stellen?
Emily Haines: Für mich gibt es da eigentlich keinen großen Unterschied. Ich habe großen Respekt vor Leuten, die zu Konzerten kommen und viel Geld dafür bezahlen, um eine gute Show zu sehen. Vielleicht hat man als Support-Act nicht so viel Druck. Die Erwartungen sind nicht ganz so groß. Da tritt man als Band dann vielleicht etwas lockerer auf. Bei einer Headliner-Show haben die Leute eine viel klarere Vorstellung von dem, was sie erwarten. Diese Erwartungen will man natürlich nicht enttäuschen. Auf der anderen Seite will man aber natürlich auch Leute für sich gewinnen, die eigentlich wegen einer anderen Band vor Ort sind. Letztlich sind beide Varianten auf ihre Art Herausforderungen, denen wir uns als Band aber gerne stellen.
MusikBlog: Die neuen Songs transportieren ein sehr intensives Live-Feeling. Insgesamt klingt das Album wesentlich rockiger als eure letzten beiden Outputs. War das so gewollt?
Emily Haines: Ja, definitiv. Wir wollten so nah wie möglich an die Bühne ran, all das mit reinwerfen, was uns als Live-Band ausmacht. Das war das Hauptziel.
MusikBlog: Inwiefern hat der Tausch an den Reglern dabei eine Rolle gespielt (Langzeit-Co-Produzent und Metric-Gitarrist Jimmy Shaw war erstmals seit drei Alben nicht in die Produktion involviert)?
Emily Haines: Für Jimmy war es einfach wichtig, an der Gitarre wieder präsenter zu sein. Bei den letzten Alben war es oftmals so, dass er als Band-Mitglied mit ins Studio kam, aber am Ende als gefühlter Produzent wieder rausging. (lacht) Diesmal hat sich jeder in der Band nur mit seinem Instrument beschäftigt. Die Arbeit am Mischpult haben wir Justin Meldal-Johnsen (M83, Beck und Nine Inch Nails) und Tony Hoffer (Phoenix, Depeche Mode, Air) überlassen. So konnte sich jeder voll und ganz auf sich und seine eigentliche Arbeit konzentrieren. Das Ergebnis spricht, denke ich, für sich.
MusikBlog: Du hast zwischen „Pagans In Vegas“ und „Art Of Doubt“ dein zweites Soloalbum „Choir Of The Mind“ veröffentlicht. Du warst außerdem auch wieder mit Broken Social Scene zu Gange. Gibt es für dich persönlich eine musikalische Verbindung zwischen all diesen Projekten?
Emily Haines: Nun, auf den ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich. Aber ich denke schon, dass, wenn ein Künstler in mehrere Projekte involviert ist, dass dann auch zwangsläufig eine Verbindung zwischen den Produktionen entsteht. Die lässt sich manchmal nur schwer beschreiben und in Worte fassen.
MusikBlog: Ihr seid jetzt schon seit 20 Jahren am Start, und es gibt sicherlich hunderte junge Bands da draußen, die nur wegen euch mit dem Musikmachen angefangen haben. Wie sieht es diesbezüglich bei euch aus? Lasst ihr euch nach so langer Zeit im Business noch von Sounds abseits eures Proberaums beeinflussen?
Emily Haines: Also ich bin immer noch total offen, wenn es um neue Musik und Künstler geht. Ich kann mich noch gut an ein Festival in Vancouver erinnern. Da spielten wir zusammen mit War On Drugs. Wir haben während des Festivals Kontakt aufgenommen, uns in der Garderobe getroffen und uns ausgetauscht. Es muss dabei nicht immer um neue Sounds gehen. In diesem Fall ging es einfach nur um das Zusammensein und das Feiern des Augenblicks. Wir saßen einfach nur beisammen und hatten eine tolle Zeit. Das sind Momente, die für mich unheimlich wertvoll sind, mich inspirieren und sicherlich auch dazu beitragen, dass die Musik, für die ich mitverantwortlich bin, letztlich so klingt, wie sie eben klingt.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.