Man kennt das Phänomen. Unbekannte Bands verzaubern einen mit folkigem Singer/Songwriter-Pop, der unter die Haut geht und die Herzen erwärmt. Einfache Produktionen, die richtigen paar Akkorde und Harmonien, die zwar vertraut, aber nie langweilig sind.

Das machten zu ihrer Zeit Coldplay mit ihren ersten beiden Alben, oder Mumford & Sons mit „Sigh No More“, dessen Hit „Little Lion Man“ bis heute der Tanzgarant auf jedem Indie-Dancefloors ist.

Und dann, nach ein, zwei Alben kommt plötzlich irgendwo die Sinnkrise her, die nach langer Wartezeit ihr Ende in der Mainstream-Überproduktion findet. Auf Kodalines zweitem Album „Coming Up For Air“ hätte man es mit zugedrücktem Auge noch als Ausrutscher abtun können. Mit „Politics Of Living“ aber wird es zur traurigen Gewissheit.

Kodaline haben ihr introvertiertes Indie-Herz an den prunkigen Mainstream-Pop verloren. Das hört man schon den ersten Sekunden des Openers „Follow Your Fire“ an. Oh-oh-Gehauche und Streicher treffen auf sanfte Pianoklänge und fade Gesangsmelodien.

Dazu gibt Steve Garrigan einfältige Zeilen wie „I remember you and me / Back when we were 17 / Drinking, kissing in the street / We couldn’t get enough“ von sich. Könnte man ja noch verkraften, bis dann ein hochgepitchtes „Did you follow your fire?“, das man kaum noch als Gesang bezeichnen kann, den stampfenden Disco-Refrain im trägen 4/4-Takt einleitet.

Das folgende „Hide And Seek“ lässt, ebenso wie das album-schließende „Temple Bar“, neue, gar nicht mal unraffinierte Keyboardklänge hören, mit denen Kodaline nach einer bereits verworfenen Albumversion experimentieren wollten, wie sie uns im MusikBlog Interview erzählten.

„Angel“ driftet mit eingestreuten Beat-Schnipseln Richtung EDM an und liefert damit den perfekten Soundtrack für die Altersgruppe, in deren Erinnerungen Garrigan allzu gerne schwelgt: die Teenagerzeit.

„Worth It“ klingt wie ein Hybrid aus Maroon 5 und David Guetta und lässt so sicherlich so manches Teenieherz höher schlagen.

„I Wouldn’t Be“ beginnt vielversprechend mit A-Capella-Gesang. Es ist kaum zu überhören, dass sicher hier Ed Sheerans Helferlein Steve Mac seine Finger im Spiel hatte. Erinnern die ersten zwei Minuten noch an die wunderschönen, mehrstimmigen Klangmomente von Mumford & Sons‘ „Timshel“, wird gegen Ende die ganze irische Palette inklusive Dudelsack aufgefahren.

„Brother“ sorgt dann nach so viel Melancholie nochmal für gute Laune und ist einer dieser Songs, deren Melodie so banal ist, dass man sie bereits beim ersten Hören mitsingen kann.

Lassen wir doch Kodaline selbst das letzte Wort zu „Politics Of Living“ haben: „Maybe if hell froze over / We could be in love again“.

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