Die Wiesn-Zeit ist eine schwere Zeit in München. Alle drängeln sich auf die Theresienwiese, in die U-Bahnen, an den Bierstand und in die Zelte. Bars, Clubs und Konzerthallen sind in dieser Zeit fast wie ausgestorben. Und wenn dann noch der Fall eintritt, dass mehrere gute Konzerte an einem Tag stattfinden, ist die Qual der Wahl enorm.
Gestern war einer dieser Tage: Thees Uhlmann spielte im Ampere, Kate Nash im Strom und Chastity Belt in der Kranhalle. Bei diesem Aufgebot fiel die Wahl natürlich schwer.
Mit dem Fakt, dass Chastity Belt inklusive ihrem neuen selbstbetitelten Album im Gepäck nach München kamen, entschieden sich doch ein paar mehr Leute für die Kranhalle. Und diese sollten nicht enttäuscht werden.
Bevor Chastity Belt auf die Bühne kommen sollte, begann der Abend mit der britischen Band Gang, ein Quartett aus der Nähe von Brighton. „Hallo… Wir… Sind… Gang!“, rief Drummer Jimi Tormey in sein Mikro, und zählte sogleich ein Set ein, dass gefühlt nur aus einem Lied bestand.
Mit einer Mischung aus psychedelischem Queen-Sound auf LSD, gepaart mit Ty Segall, versetzten sie den ein oder anderen Zuschauer ins Staunen. Mit all ihren Facetten und verschieden Stilen sowie Einflüssen, wirkte Gang mehr wie ein Theaterstück.
Am Ende ihres Sets gab es dafür großen Applaus vom Publikum, auch weil niemand zwischendurch mal klatschte – wann auch, wenn man nicht weiß, wenn ein Lied aufhört und das nächste beginnt.
Danach trat Chastity Belt, bekannt für ihren großartigen Sinn für Humor auf und neben der Bühne, in das Rampenlicht. Die vier Musikerinnen aus der Nähe von Seattle stellten lauthals erstmal fest, dass sie schon einmal in München gespielt hatten, es aber nicht mehr so genau wissen. (Anmerkung d. Red.: als Vorband für Nada Surf vor drei Jahren).
Und dann konnte es losgehen! Doch nicht – Schlagzeugerin Gretchen Grimm unterbricht noch vor dem ersten Lied und lässt den Tonmann wissen, dass es ein Problem mit dem Schlagzeug gibt:
“Too much echo! That’s cool but not what we are going for tonight.”. Alle im Saal lachten, doch der Techniker muss nochmal auf die Bühne und das Problem schnell fixen.
Und dann konnte es endlich losgehen. Mit “It Takes Time” vom neuen Album “Chastity Belt”, welches letzte Woche erst erschienen ist, startete ein wundervolles Set und man spürte sofort, dass es vor der Bühne voller wurde.
Weiter ging es durch den Abend mit dem ebenfalls neuen Song “Elena” und “Stuck”, welches auf “I Used to Spend So Much Time Alone” (2017) erschienen ist.
Die vier Musikerinnen um Julia Shapiro, Lydia Lund, Annie Truscott und Gretchen Grimm sind seit Jahren Freunde und das merkte man die ganze Zeit. In jeder freien Sekunde sahen sie sich gegenseitig an, lächelten und machten kleine Späße – die gute Chemie innerhalb der Band scheint deutlich nach außen und jeder in der Kranhalle merkte das.
Gerade bei Songs wie “Different Now”, “Split”, “Drown” oder “Joke” herrschte so eine liebliche Stimmung auf Bühne, dass man stellenweise nicht wusste, ob man bei guten Freunden im Proberaum ist oder auf einem Konzert.
Nach knapp 50 Minuten und 10 Songs ging mit “Pissed Pants” vom neuen Album das Set gen Ende. Doch nach mehreren Minuten Applaus kamen die vier Amerikanerinnen noch einmal auf die Bühne:
“What do you want to hear?”, fragte Sängerin Julia Shapiro in ihr Mikro. Vom Publikum wurde lauthals “What The Hell” vom Album “I Used to Spend So Much Time Alone” gefordert, doch Shapiro musste unter lachen feststellen, dass sie diesen Song nicht spielen können, weil es schon viel zu lange her sei, dass er mal auf einer Setlist gewesen wäre. Stattdessen gab es mit “Seattle Party” den letzten Song des Abends.
Konzerte von Chastity Belt sind ganz besonders: die Band kommt auf die Bühne, schmunzelt, lacht ständig und ist dennoch so charmant, dass während des gesamten Auftrittes eine ungewöhnliche Intimität durch den Raum dringt, so dass man ständig das Gefühl hat, einige seiner engsten Freunde stehen auf der Bühne.