„I’m the man; I’m the man; … All my friends are men; When we come to town; You should fear the man“. Diese Zeilen schnauzt Jehnny Beth auf ihrem Debütalbum „To Love Is To Live“ zu bissigem Industrial-Sound in die dunkle Stadt und glänzt dabei mit asozialem Macho-Gehabe.
Klingt so, als ob die Frontfrau der (Post-)Punk-Band Savages das konsequent Apolitische der Vergangenheit aufgegeben hat und sich aggressiv auf das Gender Thema stürzt. Interessanterweise sieht sie selber das nicht so, das Stück „I’m The Man“ zielt auf alle Menschen, die sich unerträglich verhalten. Unabhängig vom Geschlecht.
Vier Jahre nach dem letzten Savages-Album bringt Jehnny Beth ihr Solo-Debüt auf den Markt, zum Glück, ohne das Projekt der vier Frauen offiziell zu beenden und abzulösen.
Kreiert hat sie das Album zusammen mit ihrem langjährigen Partner Johnny Hostile. Mit ihm zusammen bringt sie nahezu gleichzeitig ein Buch mit erotischen Kurzgeschichten von ihr und erotischen Photographien von ihm heraus: „C.A.L.M. – Crimes Against Love Memories“.
Sex und zwischenmenschliche Beziehungen ziehen sich als Faden durch die Platte. Am explizitesten zeigt sie das auf „Flower“. Bedrohlich langsamer Low-Fi Sound wabert unter lieblichem Zupfen der Gitarre mit passendem Gewitter im Hintergrund. Der kräftigere Refrain „She loves me and I love her; I’m not sure how to please her“ wirkt klaustrophobisch und aufregend zugleich. Passend zur Stimmung des Videos.
„We Will Sin Together“ dagegen läuft los als schnarrender Pop-Sound. Versöhnlich und sehnsüchtig. Um wieder auf das zentralen Thema zu kommen: „To love is to live; To live is to sin.“
Die Singleauskopplung „Heroine“ bleibt leichter verdaulicher Pop mit Bläsern im Untergrund. Der Gesang von Savage-typischer Intensität hin zu verblüffender Lieblichkeit.
Direkt danach wird diese Lieblichkeit von „How Could You“ weggeblasen. Harmonische Elektronik verwandelt sich blitzartig in antiharmonischen, industriellen Noise mit technoid stampfenden Drums.
Die intensive Stimme von IDLES-Sänger Joe Talbot tut ihres dazu, den Track konsequent intensiver werden zu lassen, bevor er in abrupter Stille abbricht.
Die ihrerseits wird durch den ungewohnten Sound der Klavierballade „The French Countryside“ abgelöst. Überrumpelung rückwärts.
Joe Talbot ist nicht der einzige bekannte Name im Dunstkreis dieser Scheibe. So hat unter anderem auch Romy von The xx ihren Beitrag geleistet und produziert wurde das Werk von Flood (PJ Harvey, Nick Cave, Sigur Rós, Nine Inch Nails und viel bekanntere Namen).
Die Abwechslung macht die Platte anfänglich etwas sperrig. Aus der Vergangenheit erwartet aggressiv punkiger Noise führt über poppige Strukturen hin zu Klavier mit Streicherdramatik.
Diese musikalische Breite ist gewollter Ausdruck der emotionalen Breite. Und vor allem Tiefe. Im krassen Gegensatz zur blankpoliert stilisierten Jehnny Beth auf dem Cover.