Wir haben uns nicht unterkriegen lassen – Hinds im Interview

Anfang März war die Welt in Spanien noch in Ordnung. Die ersten Corona-Zahlen ließen zwar aufhorchen, ein Verlauf mit zehntausenden Toten war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abzusehen. Das mediterrane Herz Europas schlug rhythmisch wie eh und je. Die spanische Indie-Band Hinds stand zu dieser Zeit in den Startlöchern für einen neuerlichen Promo-Marathon. Nach den beiden erfolgreichen Alben „Leave Me Alone“ (2016) und „I Don’t Run“ (2018) hatten die Damen  Carlotta Cosials, Ana Perrote, Ade Martin, und Amber Grimbergen ihr drittes Werk „The Prettiest Curse“ am Start.

Kurz bevor der Pandemie-Virus so richtig Fahrt aufnahm, trafen wir uns mit Sängerin und Gitarristin Carlotta Cosials zum Interview und sprachen über Entwicklungen, Einflüsse und familiäres Glück.

MusikBlog: Carlotta, manch Branchenexperte spricht beim dritten Studioalbum vom wichtigsten und wegweisendsten Werk einer Band. Wie siehst du das?

Carlotta Cosials: In meinen Augen ist jedes Album wichtig. Ich habe da keine Rangfolge auf dem Zettel. Es gibt Bands, die sich mit jedem Album neu erfinden. Es gibt aber auch Bands, die vom ersten Album an einen konsequenten Sound pflegen. Ich denke, dass wir irgendwo in der Mitte liegen. Wir haben sicherlich ein Fundament, auf dem wir stehen. Aber wir sind auch sehr offen für Neues. Ich denke, das hört man auch auf unserem neuen Album.

MusikBlog: In der Tat. Mit „The Prettiest Curse“ bewegt ihr euch etwas weg vom kratzigen Lo-Fi-Sound der ersten beiden Alben. Es gibt mehr Pop und mehr Struktur zu entdecken. War das so geplant?

Carlotta Cosials: Das erste Album ist einfach passiert. Wir waren jung, unbekümmert und hatten Lust auf kratzige Lo-Fi-Sounds. Das zweite Album klingt nach einer Band, die zwei Jahre nahezu ununterbrochen unterwegs war, sehr rau und rastlos. Diesmal haben wir uns zum ersten Mal richtig Zeit gelassen. Wir haben uns hingesetzt und uns ein knappes Jahr nur auf die Produktion dieses Albums konzentriert. Wenn man so viel Zeit investiert, kommt automatisch mehr Struktur rein.

MusikBlog: Drei verschiedene Alben, die drei völlig verschiedene Produktionsprozesse hinter sich haben: Welches Album war die bisher größte Herausforderung?

Carlotta Cosials: Das kann ich nur sehr schwer beantworten. Jedes Album steht für sich und für eine ganz bestimmte Phase in unserem Leben. Ich denke schon, dass das neue Album ein großer Schritt für uns ist. Diesmal kamen so viele verschiedene Einflüsse zum Tragen. Wir waren im kalten Frühling in London, im Frühling in Madrid und im heißen Sommer in Los Angeles. Das war schon ziemlich verrückt. Wir haben uns wirklich viel Zeit gelassen und versucht, alles aufzusaugen.

MusikBlog: Ihr habt auch musikalisch viel experimentiert.

Carlotta Cosials: Absolut. Wir haben eigentlich ein komplett neues Arbeiten zugelassen. Früher haben wir beispielsweise fast ausschließlich nur mit der Akustikgitarre geschrieben. Diesmal haben wir viele verschiedene Instrumente schon beim Songwritingprozess mit eingebunden. Wir haben Keyboards ausprobiert, mit Rhythmen experimentiert und Stimmungen mit eingebunden, die das große Ganze in neue Richtungen gelenkt haben. Das war eine unheimlich prägende und wichtige Erfahrung für uns.

MusikBlog: Wenn ich genau hinhöre, dann habe ich manchmal das Gefühl, eine Prise The Jesus And Mary Chain herauszuhören. Nachvollziehbar?

Carlotta Cosials: (lacht) Auf jeden Fall. Natürlich geht es in erster Linie darum, einen eigenständigen Sound zu kreieren. Aber jede Band orientiert sich auch an anderen Sounds. Und The Jesus And Mary Chain waren für uns definitiv eine Band, bei der wir in punkto Harmoniearbeit ganz genau hingehört haben.

MusikBlog: Welche äußeren Klangeinflüsse waren noch präsent?

Carlotta Cosials: Wir haben viel Musik gehört, auch ganz verschiedene Sachen. Lass mich überlegen… Tyler The Creator und Molotov waren noch Künstler, die wir aus verschiedenen Soundgründen besonders auf dem Schirm hatten. Aber wie gesagt, am Ende versucht man ja aus den ganzen Einflüssen etwas Eigenes zu kreieren. Wir haben also nicht bewusst versucht, wie irgendeine andere Band zu klingen. Wir haben uns in bestimmten Situationen nur hier und da ein bisschen leiten und inspirieren lassen.

MusikBlog: Carlotta, du bist mit Ana, Ada und Amber nun schon seit einigen Jahren ununterbrochen zusammen und unterwegs. Was macht die „Gemeinschaft“ Hinds deiner Meinung nach aus? Was ist das Geheimnis eurer Harmonie?

Carlotta Cosials: Wir sind ein verschworener Haufen, der durchweg familiäre Strukturen hat und pflegt. Wir sind nicht nur Kolleginnen, sondern echte Freundinnen. Eigentlich sind wir wie Schwestern. Wir haben all die Erfahrungen gemeinsam gesammelt. Keiner von uns war auf dieses Business vorbereitet. Gerade zu Beginn sahen wir uns mit viel Kritik, vielen Vorurteilen und vielen bösen Blicken konfrontiert. Aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Wir haben uns entwickelt. Und das macht uns aus. Wir sind einfach zusammen gereift, musikalisch und als Menschen.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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