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Amber Run – How To Be Human

“How To Be Human” von Amber Run: ein epischer Titel, der – ähnlich zu der emotionalen Bandbreite des Menschen – die Lebensgefühle unter einen Hut bringen möchte. Denn die Band will ein musikalisches Pendant dazu erschaffen, was es heißt, Mensch zu sein – doch ein fundamentales Empfinden verlieren die Künstler aus den Augen.

Die Entstehungsgeschichte um die lang ersehnte Platte begann vor über einem Jahr, am 4. November 2021, als das Trio um Joshua Keogh, Tom Sperring und Henry Wyeth ihr erstes Mini-Album “The Search (Act I)” veröffentlichten. Mit diesem Titel versprachen sie: Das ist nur der Anfang.

Im Sommer darauf folgte “The Start (Act II)”, im letzten Winter schien mit “The Hurt (Act III)” die aus dem nichts erschienene Trilogie ein Ende zu nehmen.

Dabei fing es gerade erst an, denn als das Release des fünften Albums der Band für dieses Frühjahr verkündet wurde, war klar: Das alles war nur ein langer Vorspann für den eigentlichen Film, der sich in poppigem, cinematischem Klang in “How To Be Human” eröffnet.

Offensichtlich spielen die Titel der Mini-Alben auf die drei Motive an, die sich nun auch auf ihrem Longplayer wiederfinden: Suche, Neuanfang, Schmerz. Dabei werden auf den EPs mit sechs von insgesamt 13 Songs fast die Hälfte des Albums geteasert und auf der Platte auf interessante Weise arrangiert.

So sind die Songs der neuesten EP an erster Stelle positioniert, während in der Mitte “The Search (Part I)” und an letzter Stelle “The Start (II)” kommen. Es ist eine schöne Art zu zeigen, dass es keine Ordnung im Gewirr der Psyche gibt und die Reihenfolge dennoch maßgeblich den Spannungsbogen mitgestalten kann.

Zu Beginn führt ein kleines Intro namens “Flowers” in das Album ein, wobei die anfängliche Melancholie mit dem dynamischen “Hurt” weitergetragen wird.

Aufgebrochen wird das Ganze mit “Honeylight”, der Radio-Hit des Albums ist. Klanglich wechseln sich aufgeweckte, funkige Stilverschmelzungen regelmäßig mit triefenden Balladen ab.

Zugegeben, das ist die altbekannte Stärke, die man von Amber Run gewohnt ist: Schleppende Melodien in Moll, begleitet von einer engelsgleichen Stimme, die einem Schmerzen auf dem Silbertablett serviert. Dazu gehören “Funeral”, “How To Be Human” und “I Miss You”, die schon etwas an The Fray erinnern und damit die gewohnte Hörerschaft bedient.

Dagegen stehen die meisten anderen Tracks: Stellenweise klingen sie mal nach den frühen Foals, mal den späten 5 Seconds Of Summer. Eine diffuse Mixtur von Stilen, wobei kein Takt unbetont bleibt. Jeder Takt ist mit Klängen bestrichen, sorgsam umwoben, und zeugt von der ernsthaften Absicht, ein tosendes Meisterwerk zu schaffen.

Doch das komplexe Unterfangen, dem sich die Gruppe mit “How To Be Human” annimmt, ist simpel wie kompliziert. So einfach es scheint, Grundemotionen einzufangen, so schwer ist es ebenso, sie als verallgemeinertes Erlebnis für unterschiedliche Hörer*innengruppen zu verarbeiten.

Denn “How To Be Human” beweist sich in Textsicherheit und Klangkulisse, möchte sich jedoch in keine Schublade stecken lassen, so dass der Sound letztlich nicht stringent genug für einen Longplayer ist.

Es ist ein Unterfangen, dem wahrscheinlich doch kein Künstler je gerecht werden kann; vielleicht ein Grund dafür, dass Konzeptalben heute mehr Nische als Sparte sind.

Doch zwei besondere Schätze hat der Fünftling am Ende noch zu bieten, die auf mehr hoffen lassen: “The Start” glänzt mit gutem alten Indie-Rock, der an die Elektronik der 80er-Jahre angelehnt ist und Lust auf jeglichen Neubeginn macht.

Und eine bis ins Mark erschütternde Ballade erwartet uns zuletzt mit “The Last Dance”, in der endlich die ruhigen Töne angeschlagen werden, die auf “How To Be Human” gänzlich vernachlässigt worden sind.

Entschleunigung, Ruhe und dann Stille – denn sie zwingt irgendwann jeden Takt letztendlich in die Knie.

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