Als Eckpfeiler einer jungen Künstler*innengeneration, die auf dem nordamerikanischen Kontinent in den Fußstapfen Frank Oceans wandelt, konnte sich Daniel Caesar mit seinem Debütalbum “Freudian” im Jahr 2017 einen Namen machen. Wie der Titel schon vermuten lässt, gewährte Daniel Caesar schon damals einen Einblick in die eigene Psyche, stellte Verletzlichkeit und Fehlbarkeit nicht in den Schatten moralischer Posen, sondern kehrte sie nach außen.
Mit “Never Enough” erneuert Caesar den Eindruck und bewegt sich dabei durch einen Mix aus Hip-Hop, R&B, Soul und Alternative-Rock, der zeitgemäßer kaum sein könnte. Besonders beeindruckend: Das alles macht er eigentlich schon innerhalb des Opening Tracks “Ocho Rios”.
Passenderweise gesellt sich dann direkt auf “Toronto 2014” Mustafa als Featuregast dazu, der mit seinem Debüt “When Smoke Rises” einen ähnlichen bleibenden Eindruck hinterließ wie Caesar.
Mustafas sanfte Erzählerstimme und Caesars beeindruckender Gesang zeichnen in diesem Rückblick auf den eigenen, teils zermürbenden, Erfolg ein lebendiges Bild aus unbändigem Glauben, beunruhigender Stagnation und dem Tod als unabdingbarem Ende von allem.
Es wirkt, als würden die beiden Künstler aus Toronto sich gegenseitig Mut zureden und uns dabei einen Blick auf diesen sehr intimen Dialog erhaschen lassen.
Daniel Caesar toleriert Widersprüche. So mutiert die selbstverständliche Gewissheit über den Tod in “Disillusioned” zu einer Angst vor der Vergänglichkeit: “And I, I’m scared of gettin’ older, it weighs upon my shoulders.”
Aus Daniel Caesars Wandelbarkeit spricht eine Gewissheit darüber, dass die abstrakte Toleranz des Todes und die tatsächliche Auseinandersetzung mit der Endlichkeit ganz unterschiedliche Dinge sind.
“Valentina” und “Always” sind zwei weitere Beispiele dafür, dass Caesar Beziehungen auch als Metaphern für diese Erkenntnis versteht.
Am Ende bleibt der Eindruck bestehen, dass in Daniel Caesars – teils trotzdem von überraschender Rohheit eingefärbten – Texten eine Poesie verborgen ist, die nichts von der Gefälligkeit seiner warmen Stimme hat, sondern authentisch und unretuschiert ist.
Alles in “Never Enough” klingt nach einem dynamischen Tanz zwischen den Genres, wenn Daniel Caesar plötzlich vom Soul in rhythmischen Sprechgesang abdriftet oder E-Gitarren die schwere Decke schwitziger Synths durchbrechen.
Dann überrascht es selbst nicht mehr, wenn plötzlich “Van Gogh” als Verb benutzt wird – postmoderner Pop in zeitlosem Klang eben.