„Ich Tauche Auf“ – ob mit Tocotronic, Phantom/Ghost oder auf Lesereise: wenn Herr von Lowtzow in Leipzig zum „Date Mit Dirk“ lädt, erwartet ihn ein volles Haus. Nicht anders ist es am gestrigen Samstagabend im Kupfersaal, wo er im Rahmen der Buchmesse sein literarisches Zweitwerk vorstellt und um 20:10 Uhr vom Publikum mit einem herzlichen Applaus empfangen wird.
„Tagebuch zu schreiben, ist eine beschissene Ich-spiele-Schriftsteller-Show“ – schreibt er darin aus einem Max Biller Interview zitierend: seine ab März 2020 verfasste Chronologie zu den ersten Pandemiejahren ist mehr, beschreibt detailliert aus der Perspektive eines Nicht-Systemrelevanten über dessen Umgang mit dem kreativen Stillstand.
„Es geht immer um Routinen. Schreiben, Rückenübungen, Rauchen. Sonst werde ich verrückt“ – man erfährt in dem Buch von Rast- und Ratlosigkeit, Hoffnung, Selbstzweifeln, physischen Schmerzen und seiner Verbundenheit mit Partnerin „J“, sind die Niederschriften ein „Ich Öffne Mich“, mit dem er sein Innenleben in eine exponierte Lage versetzt.
Mit “Ich Tauche Auf” fest verwoben ist Tocotronic, gibt es im Buch Anekdoten aus deren Historie samt Quellennachweise zu Songtexten, wird von der langen „Nie Wieder Krieg“-Albumproduktion berichtet, aber auch nicht unkritisch der Band-Status Quo analysiert: „Die Außenseitererzählung, die wir mit Tocotronic seit Jahren fortschreiben und die im Indie-Rock seit den Achtzigerjahren bedient wird, ist snobistisch“.
Mit angenehmer, sonorer Stimme trägt der Autor einige Passagen seines Romans vor, verstärkt das Vorgelesene gestisch, bezieht Störgeräusche umfallender Flaschen humorig ein, begleitet seinen Vortrag auf der akustischen Gitarre mit thematisch passenden Nummern.
Vorangestellt hierbei der exklusive Buch-Soundtrack „Sehnsucht Nach Unten“, er singt für „Sirius“, vertont wie „Ein Mann zerfällt“ und beschwört „Phantoms And Ghosts“, die auf den über 220 Seiten mal willkommene, mal weniger erwünschte Besuche abstatten, und schließt mit dem Veranstaltungsmotto „Ich Tauche Auf“.
Nach kurzweiligen, unterhaltsamen wie nachdenklichen 90 Minuten lässt sich der Protagonist nicht lang zur Zugabe bitten. „Ihr seid süß“ ruft er seinen Fans zu, „Du auch“ kommt postwendend zurück, es folgen „Im Zweifel Für Den Zweifel“, „Sailor Man“ und „Dieses Jahr“ – die Coronajahre schienen allesamt mehr als 12 Monate zu haben.
Auf dem Heimweg durch die quirlige Innenstadtnacht scheint die Erinnerungen an den Virus so verschwunden wie der Teddybär gegen Ende von Dirk von Lowtzows Buch.