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Grian Chatten – Chaos For The Fly

Als Sänger der irischen Vorzeigeband Fontaines D.C. macht Grian Chatten Postpunk der nachdenklicheren Sorte, zum Frohlocken der Alternative Nation. Als Songwriter knüpft er daran an, lässt der weichen Dunkelheit seiner Songs aber entscheidend mehr Freiheit bei der Fließrichtung. Das macht sein Solo-Debütalbum „Chaos For The Fly“ aus dem Stand zu einem heißen Kandidaten für die Spitzenplätze in der Jahresendabrechnung.

Es beginnt mit einem ausgewogenen Gitarrenpicking, dezenten Streichern und Grian Chattens beruhigend dunkler Stimme und schaukelt sich über einen elektronischen Beat zu einem zarten Indietronic-Chanson auf. „The Score“ ist der Auftakt zu einer Reise, die sich im besten Sinne als technologieoffen bezeichnen lässt, was hier im Gegensatz zur FDP aber nicht mit Lobbyismus verwechselt wird.

Viel eher erinnert ein Song wie „Last Time Every Time Forever“ angenehm an Damon Albarns großartige Soloplatte „Everyday Robots“, während eine Ballade wie “All Of The People” gar nach dem Charakter von Nick Cave‘s “Into My Arms” greift.

Chatten lässt Raum für wunderschöne wie außergewöhnliche Klänge, für dunkle wie erbauliche Atmosphäre und graumelierte Philosophie: “How can life go so slowy and death come so fast?”. Wenn man sich den zugehörigen Song „Fairlies“ anhört, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie ihn Fountaines D.C. mit Rockbesetzung ausgebaut hätten.

Dass es nicht so gekommen ist – was noch nicht einmal ausgemacht war – entpuppt sich als Glücksfall, weil Chatten in den entscheidenden Momenten durchaus auf die Rockbesetzung zurückgreift, an anderer Stelle aber mitunter die elegantesten Streicherarrangements des Jahres in petto hat, die den Blick auf die poetischen Texte schärfen, statt sie zu kaschieren.

Im federleichten Kernstück „Bob’s Casino“ kommen nicht nur Bläser hinzu, sondern auch eine Frauenstimme, die den Song zu einem herausragenden Duett ausformuliert, das mit dem Hollywood-Kino der 50er Jahre flirtet. Grandios.

Doch selbst nach diesem Peak fällt die Platte nicht ab. Im Gegenteil: Das unglaublich vielseitige und doch herrlich kohärente Album erlaubt jedem Song eine prekär originäre Landschaft, irgendwo zwischen den versponnen Platten von John Frusciante und der Regenwettermentalität von Ian Brown.

„Salt Throwers Of A Truck“ etwa ist der seltene Moment, in dem eine mit Streichern gebaute Songwriter-Nummer Sturm und Drang entwickelt, weil der Sänger pausenlos anschiebt und mit Direktheit nicht spart. „Where will you take me for dinner and sex?“

Der geniale Schwanengesang „Season For Pain“, mit seinem wunderbaren Gitarrenpicking, Chattens tief-tröstender Stimme und die zum Ende hin zerfleddernde Elektronik, sind dann endgültig der letzte Beweis, wieviel Überraschungsmoment sich in emotional tiefschürfende Songwriterstücke packen lässt. Chapeau!

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