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Mick Harvey And Amanda Acevedo – Phantasmagoria In Blue

Es irritierte sehr, als Mick Harvey zum Ende der Nullerjahre den Bad Seeds den Rücken kehrte, bestimmte der stets coole Multiinstrumentalist an der Seite des charismatischen Nick Cave doch bis dahin federführend den Sound der Platten des des Alternative-Helden.

Nicht ausschließlich die zunehmenden Differenzen die künstlerische Ausrichtung betreffend, auch seine Funktion als Bandmanager, die seine Kreativität in einem für ihn nicht mehr tragbaren Maß einschränkte, triggerte diese Entwicklung.

Harvey fokussierte sich fortan auf Soloarbeiten und teilte sein Know-how mit diversen Kolleg*innen, das zugehörige Netzwerk wurde bereits seit der Zeit geknüpft, als die „goldene Generation“ australischer Indie-Musiker auszog, die Welt zu erobern.

Als Produzent u.a. für Robert Forster, als Arrangeur für PJ Harvey , am Schlagzeug von The Ministry Of Wolves, in Kooperation mit Christopher Richard Barker und natürlich mit eigenen Werken und Filmmusik – seine feinsinnigen Analysen der jeweiligen kompositorischen Möglichkeiten machten den 64-Jährigen zum Fixpunkt in der Szene

Im seinem Portfolio waren Duette bei den, in mehreren Ausgaben erschienenen, Variationen des Serge-Gainsbourg-Nachlasses prägend, Duette sind es auch, die „Phantasmagoria In Blue“ dominieren, wobei nicht alle der ausgewählten Stücke von Musiker*innen mit unterschiedlichsten künstlerischen Wurzeln in ihrem Ursprung als solche konzipiert waren.

Amanda Acevedo ist dafür die Partnerin; die mexikanische Sängerin und Filmemacherin warb im Umfeld eines PJ Harvey Konzertes in Mexico City für ein künstlerisches Zusammengehen. Aus einer Idee wurden eineinhalb Jahre intensive Arbeit, an deren Ende ein 14-teiliger Longplayer mit respektvollen Coverversionen und einigen Eigenkompositionen steht.

Die Choreografie von „Love Is A Battlefield“ skizzierte stellvertretend vorab die Stimmung der Aufnahmen, ein Werk voller Melancholie und Sinnsuche, zuhause in der Grauzone von Hoffnung und Endlichkeit, empathisch zwischen Dramatik und Sehnsucht auslotend.

Der Pat-Benatar-Klassiker ist bis dato allgegenwärtig, mit anderen Beiträgen der Platte verhält es sich anders: „I Lost Something In The Hills“ der deutschen Sängerin Sybille Baier ist fast ein Fall für Genre-Nerds; wird hier unter der Ägide des Duos aus dem leisen Folk der Vorlage eine üppige  Ballade.

Die Flower-Power-Aura, die Smokey And His Sister „Creators Of Rain“ mit auf den Weg gaben, weicht voluminöser Tiefe, bekommt Tim Buckleys oft bemühter Evergreen „Song To The Siren“ (in der This-Mortal-Coil-Fassung bereits David Lynchs „Lost Highway“ ausleuchtend) majestätische Anmut, „She Won’t“ eine knochentrockene Americana-Note.

Zwischen Piano, Gitarre und Glockenspiel seufzen sich Streicher durch „The Decadence Of Lust“ und treiben „The Blue Unicorn“ vorwärts, spielt diese Instrumentengruppe über die Aufnahmen hinweg eine so tragende Rolle, wie die Muttersprache der Protagonistin die Passagen von „Indian Summer“ auf Spanisch intonierte und umgekehrt andere Nummern wie „Al Alba“ von Luis Eduardo Aute ins Englische übertrug.

„You Got Me Singing“ trifft wechselseitig auf Mick Harvey und Amanda Acevedo zu, der Leonard-Cohen-Song schließt eine Platte, deren Grundtenor den nahenden Herbst einläutet.

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