Immer noch denkwürdig: Hope gaben vor über drei Jahren im Hafenklang eines der letzten Konzerte kurz vor dem Lockdown. „Corona wird uns ganz sicher nicht aus der Bahn werfen.“ „Neue Stücke sind in Arbeit, lange wird es nicht mehr zur neuen Platte dauern.“ Beide Annahmen sind dann wohl nicht ganz so eingetreten wie erhofft.
Die neue Platte „Navel“ ist fertig. Auf Vinyl schon für Pre-Orders und am Merch verfügbar. Digital dann in einer Woche. Nach dem Release-Konzert in Berlin kommen die Stücke in Hamburg erst das zweite Mal auf die Bühne.
Das Aalhaus ist eine super Location dafür. Sehr urig. Faßbier und Fischbrötchen kommen eher in den Sinn als düstere alternative Musik. Anlage optisch wie bei der Firmen-Ansprache einer mittelständischen Firma. Es gibt immerhin zwei weiße und zwei rote Strahler als Beleuchtung. Dementsprechend eng ist alles gepackt, als die vier die Bühne wie ein Labyrinth bezwingen.
Gezupfte Gitarre, unterlegt von minimaler Elektronik und sehr viel Stille. „I want soberness, I want my truth…it is easy to lie to you“. “Klavierskizze”, Opener der Platte und auch des Abends. Der Anlage ist schon alles verziehen. Jedes Wort geht glasklar verständlich ganz tief unter die Haut.
„Untied“ erhöht den Level. Stille ersetzt durch latentes Dröhnen und leises, zögerlich aufbäumendes Zerren. Zurückhaltend schnelle Percussion trägt das Ende. „Navel“ bringt mehr Beat ins Spiel. Die Handschrift der ersten Platte reduziert und vertieft. Subtiler.
Subtiler auch Christine am Mikro. Kleine Bewegungen, abgehakt, immens ausdrucksstark ohne Ausschweifung. Manchmal ein verhaltenes Grinsen. Fast nahbar.
„Cell“. Das erste Stück des Abends vom Debütalbum „Hope“ von 2017. Noiselevel und Energielevel deutlich höher. Auch mit Noise jedes Wort verständlich. Der Mischer, die unterschätzte Anlage oder die Kombination? Tiefgehender und intimer als bei den letzten Touren. Location und Publikum passen auch perfekt.
Etwas später nochmal ein altes Stück. „Glass“. Wuchtig drückt der Sound nach vorne. Der Raum wird förmlich ausgefüllt. Christine gar nicht mehr nahbar. Die Bewegungen nicht mehr klein. Grinsen ist Vergangenheit. Halsadern kurz vor dem Platzen. Aufgestaute Energie pur.
Der restliche Gig bringt die verbleibenden Tracks von „Navel“. Nach dem akustischen Sturm mit reduzierter Wirkung. Was am Anfang komplex und tief wirkte, kommt jetzt eher schmal daher.
Bis „Shame“ hat sich dieser Effekt zum Glück wieder ausgewaschen. Die intensive Single von 2020 schlägt die zeitliche Brücke über die letzten drei Jahre hinweg. Intensität wieder voll da. Die Emotionalität auf der Bühne greifbar.
„Ihr seid ein unglaublich aufmerksames Publikum.“ Dem kann man nur zustimmen. Kein Geplapper, Geklirre, Gedränge. Konzentration beherrscht den Raum von Anfang bis Ende. Das macht aber nicht nur die Musik einfach. Es ist ein Vergnügen, den Vier auf der Bühne zuschauen zu dürfen. Großartiges Handwerk. Unendlich viele Details zu sehen, vor allem an Gitarre und Percussion.
Als Zugabe eskaliert „Kingdom“ noch einmal alle Dimensionen der Klangerzeugung. Als Abschluss passt das perfekt.