„Im gleichen Maß, in dem das Publikum jetzt langsam verstummt, wird ein Summen immer wahrnehmbarer. Nach und nach erfüllt es den ganzen riesigen Raum und man bildet sich ein, dass es plötzlich nach Ozon riecht. Eine elektrische Entladung steht kurz bevor und sie wird, man ahnt es, nicht unerheblich sein. Als ein Scheinwerfer auf den gesenkten Vorhang gerichtet wird, ist die Stille vollkommen. Und für das, was jetzt kommt, kann es nur ein Wort geben: ‚Grandezza‘.“
So heißt es angemessen vollmundig im Pressetext zur Ankündigung der aktuellen Die-Sterne-Tour, die ihr Best-Of-Album „Grandezza“ präsentieren, das am 9. Februar via [PIAS] Recordings erschienen ist, auch wenn die Setlist von der Album-Tracklist etwas abweicht.
Das Album, erschienen auf Doppel Vinyl und CD sowie den Streaming-Plattformen, enthält 18 ihrer bisher veröffentlichten Singles, teilweise in Remixen bzw. alternativen Versionen, sowie den bisher unveröffentlichten Track: „In diesem Sinn“ – gesungen auf Mandarin.
Vor 33 Jahren in Hamburg gegründet, haben Die Sterne über ihren gesamten Zeitraum wichtige Beiträge zur deutschen Pop-Kultur geleistet. Den Bandnamen hatte Frank Spilker schon vorher verwendet, wie er selbst sagte „damit ihn niemand anderer benutzt“.
Spilker, studierter Beinahe-Kulturwissenschaftler, legt mit seinen Texten den Puls oft ans Zeitgeschehen, die sich jedoch oft – trotz Sozialkritik und Anarcho-Tendenzen – ein Augenzwinkern nicht verkneifen.
Und so sind Songs wie „Universal Tellerwäscher“ oder „Was hat dich bloß so ruiniert“, die auch beim gestrigen Liveauftritt nicht fehlten, legendär geworden und Die Sterne haben mit ihrer konstanten Relevanz frühere Schulkameraden aus der Hamburger Schule wie Blumfeld (kein Dissing beabsichtigt, Jochen Distelmeyer) weit hinter sich gelassen.
Der Humor der Sterne zeigt sich auch in ihren Live-Shows, die sie nun im Rahmen der Grandezza-Tour in zehn Städte in Deutschland absolvieren. Dabei ziehen sie die Zuschauer*innen in ihren eigenen Kosmos und lassen sie den Alltag vergessen, ohne den Blick auf die wichtigen gesellschaftlichen Fragen der heutigen Zeit zu verlieren.
Oder wie es in „Drei Akkorde“ vom 2014er Album „Flucht in die Flucht“ heißt: „Eine Zeitlang vergessen wir, was weh tut und lassen unsere Sachen sein. Eine Zeitlang finden wir, wir könnten und dann könnten wir wohl wirklich fliegen. Wir würden mit allem richtig liegen und drei Akkorde lang würden wir sie besiegen.“
Gestern machten Die Sterne Halt im Conne Island in Leipzig. Es ist der Ort, an dem Frank Spilker mit dem Ur-Line-Up, aber auch zuletzt vor fast genau einem Jahr mit der aktuellen Besetzung rauschende Konzerte feierten.
Die gestrige Veranstaltung knüpfte nahtlos an diese Tradition an. Vom ersten Ton an nahm der Abend im vollen Saal Fahrt auf, die Beats fuhren ins Bein, der Funk schüttelte den Rest der Körper durch.
Das treibende musikalischen Konglomerat veranschaulichte nachdrücklich, dass ein analytisch-kritisch ausgeleuchtetes Gesellschaftsbild nicht nur den Kopf beschäftigt, sondern sich auch reibungslos auf das Tanzbein überträgt und „Ich Scheiss Auf Deutsche Texte“ für das Publikum nicht in Betracht kam.
„Spilker mittendrin“ stand zwar nicht auf der Setlist, aber selbstverständlich war der Literat nicht nur wegen seiner schieren Körpergröße Dreh- und Angelpunkt zwischen den Musiker*innen.
Nach den beiden Zugaben stand fest, dass nicht nur die letzte Ausgabe von Die Sterne den Titel „Grandezza“ zu recht trägt, sondern auch dieses Konzert unter diesem Begriff einzuordnen war.