Wenn Bosse in Leipzig Station macht, bleibt selten ein Platz frei. So war es zuletzt im Felsenkeller und selbstverständlich war auch das Haus Auensee am gestrigen Samstag ausverkauft, bevölkert mit einem Mehrgenerationen-Publikum, das – wie sich im Verlauf des Abends zeigen würde – mit einer Textsicherheit ausgestattet war, die das Konzert zur Not auch ohne den Protagonist als Massen-Karaoke-Event über die Runden gebracht hätte.
Als der Vorhang fällt und Aki Bosse zur Primetime die Bühne stürmt, braucht es keine Begrüßungsrunde, der Saal ist sofort auf Temperatur und wird mit „So Oder So“ abgeholt. Und weil es vom Start weg funkt, werden Strophe und Refrain wiederholt, nicht die einzige Maxiversion, die im Verlauf des Sets zu erleben sein wird.
In den kommenden zwei Stunden bleibt kein Auge trocken, Bosse natürlich schon gar nicht, ist nach dem ersten Song bereits schweißgebadet und verspricht den Hausherren, später mit sich selbst feucht durchzuwischen.
„Die Befreiung“ und „Das Paradies“, performt er auf einer Showtreppe, über die der 44-Jährige mit der choreografischen Eleganz eines Harald Juhnke schlendert, vervollständigen die Eröffnungstrilogie aus dem Backkatalog.
Mit „Ein Traum“ läuft die erste Nummer vom aktuellen Album, zum Gelingen des euphorischen Vortrags trägt wesentlich das lokale „Chorlektiv Leipzicals“ bei, die dem Stück ein stadiontaugliches Volumen verpassen und die Spielstätte in einen Tanzpalast verwandeln.
Als ein für viele authentischer Ghostwriter der eigenen Lebenserfahrungen hat der Wahlhamburger nicht nur Musik, sondern auch viel Redebedarf mitgebracht, setzt eine Shitlist gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse auf und erzählt ausführlich ganz persönliche Geschichten, so dass nach einem halben Dutzend Songs, die auf Platte netto rund 22 Minuten brauchen, bereits eine Dreiviertelstunde vergangen ist.
Bosses exzellente Begleitband, die 7-köpfig neben dem konventionellen Instrumentarium per Cello, Trompete und Ukulele selbst im akustik- benachteiligten Haus Auensee für druckvollen wie differenzierten Sound sorgt, tragen den Mann am Mikrofon sicher durch das Programm, allen voran seine Keyboarderin Vivie Ann, die als als Duettpartnerin glänzt und auch locker Alligatoahs „Salzwasser“-Part rappt.
Respekt vor dem Durchhaltevermögen der Menschen, die nicht dauerhaft auf der „Sunnyside“ des Lebens stehen, steckt in jeder Zeile von „Royales Morgenblau“, in Teilen seines Werdegangs Bosses Pendant zu „Smokers Outside The Hospital Doors“ der Editors.
Die Akustik-Version von „Augen Zu, Musik An“ lädt zum „Engtanz“, es wird in der emotionalen „Champions League“ per „Loslassen Lernen“ schmerzhaft und zuversichtlich zugleich, ist „Schönste Zeit“ ein überragendes Hauptteil-Finale.
Ein paar Zugaben weiter endet „Der Letzte Tanz“ – für Bosse und Leipzig gilt das sicherlich nur für diesen Samstag.