Schon lange habe ich keine Brit-Pop-Band mehr in den Himmel gelobt. Meistens gibt es dafür ja auch wenig Anlass. Die Gründerstadt der poporientierten Gitarrenmusik – Liverpool – gebiert mit STONE und deren Debütalbum „Fear Life For A Lifetime“ nichts weiter als den Heilsbringer des modernen Britrock.

Dabei wirken Finley Power und seine drei Mitstreiter wie das Konglomerat aus den letzten 30 Jahren Musik vom britischen Empire. So querbeetet man sich musikalisch durch Anleihen von Blur, Pulp mit einer Prise Ash und Feeder, findet modernes Verpackungsmaterial wie Jamie T, garniert Oasis, ohne deren Großkotzigkeit, drauf und verschnürt das Paket noch mit ein paar Anleihen aus Mike Skinner’schem Hip-Hop.

Fertig ist der zollfreie Musikimport von der Insel, der sich anschickt, den Kontinent im Sturm zu erobern. Begeisterung macht sich auch deswegen breit, weil Finley Power ein charismatischer und vor allem energischer Frontmann ist, der den Sound der Band mit seinem Liverpooler Akzent durch so manchen Hänger manövriert.

Der titelgebende Opener „Fear Life For A Lifetime“ ist sowohl Coming-of-Age-Story als auch sozialkritisches Statement und leitet direkt über in die Brit-Pop-Hymne „My Thoughts Go“.

Mit dem bräsigen „Queen“ sammeln STONE 10 von 10 Punkten auf der „Oasis-Soundalike“-Skala.

Dass es sich bei STONE um keine Coverband handelt, klärt „Roses“, bei dem sich Sänger Finley danach erkundigt, wie denn unser Wohlbefinden ist. Es wird breitbeinig mit Country-Anleihen musiziert und dabei auf Finleys ausdauerndes Gesangsorgan gesetzt.

Der zahlt das gesetzte Vertrauen mit einem schmissigen Refraineinsatz und Gänsehautstimme zurück, fährt anschließend mit dem rifflastig pumpenden „Train“ rastlos zur nächsten Station der Eingängigkeit.

Die Saiteninstrumente toben sich aus, eskalieren mit dem Wörter jonglierenden Power im Chorus und lassen genug Dampf ab, so dass sich mit dem folgenden „Say It Out Loud“ eine Popballade ergibt.

Ein wenig mäandernd haftet der Track klebrig an Powers Gesangskunst, die auch mit diesem Refrain unterbewusst zum Mitsingen anregt, bevor das sphärisch startende „Save Me“ zum drogenkonsumierenden Indie-Rock verkommt. Der Hilfeschrei zündet spät, dafür mit der Wucht von Powers hormongeladenem Solo.

Danach gibt’s kein Halten mehr und die Clubrotation ist dem Titel garantiert. Auch „Never Gonna Die“ mit Shortstraw lebt die Jetzt-oder-Nie Attitüde, lästert sich die Probleme des Alltags frei von der Leber weg und rennt mit gereckter Faust in die ungewisse Zukunft.

Die kann düster sein, wie das im Bass-Stakkato tanzende „Sold My Soul“ berichtet. Das ist der britische Straßenkötersound, der auf dem dreckigen Bürgersteig aus dem Post-Punk-Napf frisst.

Allgemein scheint das Leben trostlos zu sein, davon erzählt auch das melancholische „Hotel“, das sich auf der Suche nach Liebe scheinbar immer in den falschen Hotelzimmern wiederfindet. Das klingt als hätte Mike Skinner zu viel am Weichspüler geschnüffelt, verdient aber ein paar Wiederholungen um den erwünschten Tiefgang zu erzielen.

Bevor es zu verzweifelt wird, lassen uns STONE mit dem Ratschlag „Save Yourself“ allein zurück. Die Antidepressiva kicken rein, was den fahrigen Akustikgitarrensound erklärt sowie Powers Sprechgesang, der aber – wie immer – in einem unwiderstehlichen Refrain endet – der magischerweise selbst diesen Titel noch eindringlich werden lässt.

Selbst wenn ihr nicht auf Erniedrigung steht, vor STONEs Erstling solltet ihr niederknien. „Fear Life For A Lifetime“ verleiht dem Überbegriff Brit-Pop wieder Relevanz und stellt klar, dass die bereits hoch hängenden Vorschußlorbeeren, die STONE erhalten haben, mehr als nur berechtigt waren. Ein genreübergreifendes, vielseitiges Werk mit einem mächtig gut aufgelegtem Frontmann wartet auf euch.

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