In einer schnelllebigen Welt den Überblick zu behalten und nicht komplett durchzudrehen, ist nicht immer leicht. Joan Wasser alias Joan As Police Woman präsentiert mit ihrem 10. Studioalbum “Lemons, Limes And Orchids” eine Hommage an das Durchhalten in einer Zeit, in der Hoffnung, Liebe und Vertrauen nicht selten die einzigen Anker sind. Kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Schaffens trafen wir uns mit der amerikanischen Sängerin und Songwriterin zum Interview und sprachen über Ängste, Hoffnung, Amerika und Iggy Pop.
MusikBlog: Joan, in deinen neuen Songs geht es um die Liebe, den Verlust und das Überleben in einer brüchigen Welt, in der viele Menschen leiden und Angst haben. Was macht dir dieser Tage am meisten Angst?
Joan As Police Woman: Mir macht Angst, dass die Menschen nicht wirklich miteinander reden. Kommunikation ist die Basis. Sie ist der Schlüssel. Ich bin überzeugt davon, dass es viel weniger Probleme auf der Welt geben würde, wenn die Menschen vernünftig und intensiv miteinander reden würden. In unserer eigenen Blase sind wir alle sehr empathisch und liebevoll. Wir lieben unsere Familie und unsere Haustiere. Aber wenn wir nach draußen gehen, dann haben wir Angst vor dem Unbekannten und davor, dass man uns vielleicht etwas wegnehmen könnte. So entstehen Misstrauen und Furcht.
MusikBlog: Dabei hat man doch während der Corona-Pandemie so viel Zeit gehabt, um genau da den Hebel anzusetzen.
Joan As Police Woman: Das stimmt. Genau darum geht es in dem Song “Long For Ruin”. Das scheint irgendwie ein instinktives Problem zu sein. Vielleicht hat die Welt so vor tausend Jahren funktioniert. Aber heute bräuchten wir unbedingt einen “Reset”-Knopf. Den haben wir aber leider nicht. Das macht schon sehr traurig.
MusikBlog: Was macht dir Hoffnung?
Joan As Police Woman: Oh, mir macht Vieles Hoffnung. Ich lebe in New York City. Hier gibt es so viele Facetten, so viele verschiedene Bubbles und so viele unterschiedliche Menschen, die aber trotzdem wunderbar miteinander auskommen. Ich sehe das jeden Tag. Und das macht mir Hoffnung. Ich sehe nette Menschen, die nette Dinge tun. Das Problem ist auch, dass diese Nettigkeiten nicht nach außen getragen werden. Die Menschen erfahren nur von den schlechten Dingen. Wenn wir die Zeitung lesen, dann geht es nur um schlechte Nachrichten. Nirgends steht geschrieben, dass irgendein Mensch irgendeinem anderen etwas Gutes getan hat. Das ist leider so.
MusikBlog: Im kommenden November steht deine Heimat vor einer wichtigen Wahl. Macht dir der Ausblick Angst?
Joan As Police Woman: Die Angst ist mittlerweile der Hoffnung gewichen. Wir haben jetzt eine veränderte Lage und ich denke, dass viele der Wähler*innen, die zunächst unentschlossen waren, jetzt wissen, was sie zu tun haben. Das ist zumindest mein Gefühl. Aber wie ist dein Gefühl? Wie sieht man die Situation außerhalb von Amerika?
MusikBlog: Ich persönlich bin überrascht, dass es mit Donald Trump überhaupt wieder so ist, wie es ist, wenn du verstehst was ich meine. Ich meine, ihr hattet das Ganze ja schon mal.
Joan As Police Woman: Ich bin total bei dir. Eigentlich versteht das niemand so richtig. Sogar die Republikaner wollten erst gar nicht, dass es so kommt. Aber es scheint irgendwie auch um einen gewissen Personenkult zu gehen. Vielleicht finden zu viele Leute seine Shows und sein Auftreten irgendwie witzig und lustig. Mir ist es auch ein Rätsel.
MusikBlog: Lass uns nicht zu sehr über Politisches nachdenken, sondern zurückkehren zu deiner Musik. Wann genau hast du mit den Arbeiten zum neuen Album begonnen?
Joan As Police Woman: Mein letztes Album, “The Solution Is Restless“, entstand aus einer völlig improvisierten Jam-Session. Nicht alles was damals entstanden ist, fand auch den Weg aufs Album. Ein paar Ideen habe ich mit in die Pandemie genommen. Als irgendwann nichts mehr ging, markierten genau diese Ideen den Startpunkt. Den Rest der Covid-Zeit habe ich mit der Produktion des Albums verbracht. Ich habe geschrieben, gesungen, aufgenommen und produziert – die ganze Pandemie durch.
MusikBlog: Musikalisch liegt der Fokus auf deiner Stimme und einer sehr berührenden Grundstimmung.
Joan As Police Woman: Auf dem letzten Album passiert unheimlich viel. Es gibt unzählige Gesangsspuren und viele Dinge im Hintergrund. Diesmal wollte ich reduzierter zu Werke gehen. Ich wollte die Emotionen so gut es ging festhalten. Ich habe ganz bewusst mit der Band zusammen aufgenommen. Das war mir sehr wichtig, um die Atmosphäre komplett aufzusaugen.
MusikBlog: Du hast als Violistin angefangen und früher in vielen Bands gespielt. Wann reifte der Gedanke, es als Solo-Künstlerin zu probieren?
Joan As Police Woman: Das war eine Entwicklung, die irgendwann nicht mehr aufzuhalten war. Ich habe mich frühe nie für das Singen und das Schreiben von Liedern interessiert. Irgendwann war ich aber in einer Lebensphase gefangen, in der es mir nicht sehr gut ging. Während dieser Zeit wurde mir bewusst, dass die Violine alleine nicht mehr ausreichte. Ich brauchte ein anderes Ausdrucksmittel. Und so brachte ich mir das Gitarre- und das Pianospielen bei und fing an zu singen. Ich habe dann auch mit dem Schreiben von Liedern begonnen. Da war dann erst ein leeres Blatt Papier. Und am nächsten Tag war da plötzlich ein ganzer Song. Das war schon ziemlich magisch und natürlich auch inspirierend.
MusikBlog: Die Liebe zum Dasein als Band-Mitglied hast du aber nicht wirklich verloren. Du warst zu Beginn des Jahres als Keyboarderin und Backgroundsängerin mit Iggy Pop unterwegs. Wie war die Zeit mit Iggy?
Joan As Police Woman: Wir haben eine Show in Miami und eine in Los Angeles gespielt. Im November spielen wir noch eine Show in Mexiko. Ja, was soll ich sagen, ich bin mit Iggys Musik aufgewachsen. Es war total spannend und aufregend. Auf der Bühne war es so laut. Das hat mich an meine Anfangstage erinnert. Das jetzt nochmal so zu fühlen war schon ziemlich toll. Und dann wird das Ganze von einem 77-jährigen Madman geleitet. Das kann man eigentlich gar nicht in Worte fassen.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.