Die Weltpopmusik hat‘s mal wieder mit dem Mond. Wie einst CCR, Nick Drake, The Police, R.E.M. und viele mehr widmen sich jetzt auch Coldplay dem Erdtrabanten. „Moon Music“ heißt ihr neues Werk – es ist das zehnte Studioalbum.
Für die Zunft der Kritisierenden waren Coldplay-LPs zuletzt eine feine Sache, boten sie doch eine Fülle von Ansatzpunkten, den Mainstream-Pop der ehemaligen Indie-Rocker genüsslich zu verreißen.
Auch bei „Moon Music“ scheint der Fall schon vorab ganz klar zu sein. Genügt nicht bereits ein Blick auf die Tracklist – „Good Feelings“, „All My Love“, „One World“, dazu ein Regenbogen-Emoji und das warum auch immer abgekürzte „iAAM“?
Und auch die Ankündigung, dass ein Großteil des Tonträgermaterials aus recycelten Plastikabfällen produziert worden sei, hatte im Vorfeld für Häme und Spott gesorgt. Plastikpop aus der Tonne – für die Tonne.
Doch eine Band wie Coldplay, die 2000 mit ihrem eindrucksvoll abgeklärten Erstling „Parachutes“ ein Werk vorlegte, das zweifellos eines der besten Indie-Alben der Nullerjahre ist, sollte man – trotz ihres unbändigen Erfolgs – nicht allzu billig auf den Schrottplatz verbannen.
„Moon Music“ beginnt auf Coldplay-typische Weise. Mit ähnlich sphärischen Klängen – nur etwas weniger cineastisch – starteten schon „X&Y“ (2005), „Viva La Vida“ (2008) und natürlich auch das Geschwisterwerk „Music Of The Spheres“ vor drei Jahren.
Begleitet von zartschmelzenden Klaviertonfolgen erklingt – zunächst noch in heimelig tiefen Oktaven unterwegs – Chris Martins Stimme. Wer trotz erstem Freudenschauer wachsam bleibt, erhascht die Pink-Floyd-Zitate, die sich bekanntermaßen 1973 ebenfalls mit dem Mond beschäftigten.
Wie bei „The Dark Side Of The Moon“ fließen auch auf „Moon Music“ die ersten beiden Stücke ineinander. Dem titelgebenden Opener folgt „feelslikeimfallinginlove“, ein Hit wie aus dem Lehrbuch, dem auch zehn aufeinanderfolgende Konzerte im Wembley-Stadion nichts anhaben werden können.
Nach dem beschwingten – dank der Unterstützung von Burna Boy und Little Simz beinahe zum Rapstück verwandelten – „We Pray“, hören wir den zuckersüßen Gitarrensong „Jupiter“, ehe das funkige, mit Ayra Starr aufgenommene, „Good Feelings“ übernimmt.
Wer das alles ein wenig beliebig findet, hat sicher einen Punkt. Und ja, die Suche nach dem roten Faden gestaltet sich zwischen den unzähligen La-la-la-Passagen als durchaus schwierig. Und doch – hat man sich einmal durch das mitreißende „Aeterna“ getanzt, wird das Bild allmählich klarer.
Ging es auf Pink Floyds Klassiker um Tod, Wahnsinn und Gewalt, befinden wir uns mit Coldplay fraglos auf der hellen Seite des Mondes. Hier geht es um den Glauben an eine bessere Welt – mit weniger Plastik und viel mehr Liebe.
In „One World“, dem letzten musikalischen Tupfer des neuen Coldplay-Tongemäldes, bringen es die vier erfolgsverwöhnten Briten auf den Punkt: „In the end, it’s just love“ – wer wollte das kritisieren?