Es gibt sie, die eine Referenzplatte, mit der die Urheber sofort in Verbindung gebracht werden, egal, wieviel Output daneben existiert. Für die stets provokanten Laibach, die vom „Nova-Akropola“-Früh-Industrial, über gespenstische „Macbeth“-Vertonungen und „NATO“-Elektro-Bombast, bis hin zu Musical und Soundtrack über die Jahre hinweg kontrovers blieben, ist das zweifelsohne „Opus Dei“, ein Meisterwerk vom künstlerischen Konzept bis Artwork, das im Dezember als Re-Release veröffentlicht wird.
Daran anhängig eine Tour, und da die Slowenen Leipzig nie auslassen, begrüßten die Musiker*innen um Milan Fras gestern ihr Stammpublikum, diesmal im nicht im Schauspielhaus, sondern im gut gefüllten Ballsaal des Felsenkeller im Westen der Stadt.
Vor dem eigentlichen Konzertbeginn nahm das Intro den zugrunde liegenden Denkansatz des legendären Albums von 1987 vorweg: In einer Endlosschleife brummte die Leitsequenz von „Leben Heißt Leben“ – als ein Werkzeug des Totalitären, mit den Mitteln der Popkultur eine Botschaft manipulativ einzuschleifen, durch das Venue.
Die Dramaturgie der Veranstaltung unterschied sich von den vorherigen Gastspielen: liefen in den Shows zu „The Sound Of Music“ und „The Coming Race“ im ersten Teil des Sets jeweils die vorzustellende Arbeit komplett und wurde nach der Pause eine Auswahl aus dem Backkatalog gespielt, startete der gestrige Samstagabend nicht mit „Opus-Dei“-Inhalten, sondern radikal instrumental.
Das Eber-Keller-Dachauer-Salinger-Laibach-Grundquartett „4 Personen“ traf den Saal dissonant und einigermaßen überraschend, erzeugten die Instrumentalisten mit „Država“ brachiale Wucht, wurden „Freiheit“ und „Der Staat kümmert sich“ auf Riefenstahl projiziert, trat zur Bildgewalt von Aufruhr und Gewalt – von Nahost bis zum Kapitol – der Frontmann via „Boij“ erstmals in Erscheinung.
Der sprach/sang charismatisch zu den bedrückenden Visionen zu in sphärischem Sound gehüllten „Mi Kujemo Bodočnost“, beschwörte „Brat Moj“; erschien Sängerin Marina Mårtensson zum Erstbeitrag aus dem ausgesuchten Cover-Repertoire des Künstlerkollektivs, um mit ihrer Stimmgewalt zu Bob Dylans „Ballad Of A Thin Man“ beizutragen.
Nach dem gesellschafts-aktuellen „Alle Gegen Alle“, in der angebotenen voluminösen Variante sicher auch für die Urheber Robert Görl und – wenn er es noch erleben könnte – Gabi Delgado beeindruckend, folgte die obligatorische Pause.
Dann kamen sie, die erwarteten Tracks des Tour-Titelgebers. Vor rotierenden Äxten intonierte Marina Mårtensson opern-würdig „Leben Heißt Leben“, wurde später „Trans-National“ als humanistische Charta verlesen, nachdem Laibach „How The West Was Won“ und andere Nummern bereits in den veränderten Arrangements der Neuauflage vorstellten.
Nicht jedoch „Geburt Einer Nation“, das nichts von seiner unheimlichen Anziehungskraft verloren hat, ein Highlight, ebenso wie die Verwandlung von Opus‘ Volksfest-Hit „Life Is Life“ in einen massen-mobilisierenden Marschrhythmus.
Zu Billie Holidays Bürgerechts-Manifest „Strange Fruit“ zeigten mahnende Bilder der möglichen Folgen eines ideologischen Rausches, die die Bedeutung der Worte „Leben heißt Leben“, die – siehe Einschleifen – vielen auf dem Heimweg durch den Kopf gegeistert sein dürften, unterstrichen.